Kinofilm-Innovation aus der Schweiz

Interview mit Valentin Greutert zu Mad Heidi
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©Swissploitation Films_madheidi.com

Horrorfilme sind weltweit beliebt. Nur die Schweiz vernachlässigt das Genre sehr. Der Film «Mad Heidi» ändert das. Wir haben mit Produzent Valentin Greutert über die Produktion gesprochen.

 

Aktuell erobert eine etwas andere Version von Heidi die Fantasy- und Horrorfestivals auf der halben Welt. So hat der derbe Spass «Mad Heidi» beispielweise den Publikumspreis beim Brussels international Fantastic Film Festival gewonnen. Der Film wurde mit viel Leidenschaft und cleveren Ansätzen in der Schweiz produziert und hat mit dem Label «Swissploitation» gleich ein Subgenre definiert.

 

«Heidi sollte erst nur eine Nebenfigur sein», erklärt Valentin Greutert, der mit seiner Produktionsfirma A Film Company GmbH, mit Sitz an der Zürcher Langstrasse, massgeblich am Schweizer Genrefilm beteiligt war. Exploitation funktioniert oft über Klischees und Überspitzungen. Da ist die Schweiz mit ihren vielen Klischees prädestiniert. «Dass Heidi die Hauptfigur sein muss, war eine Bedingung für die Zusammenarbeit, für das Ja zum Experiment», sagt Greutert und lacht, schliesslich ist Heidi das ultimative Schweizer Klischee. Das Label «Swissploitation» war geboren. Die beiden Regisseure Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein spielten zuvor über zehn Jahre mit der Idee eines genrespezifischen Films, den man sonst nirgends sieht. Darüber, dass Heidi als starke Marke in den Fokus soll, war man sich letztlich schnell einig. So wurden die drei Männer zur kreativen Aorta des Projektes «Mad Heidi».

 

Das Vorhaben, ohne klassische Filmförderung auszukommen, war ambitioniert.

 

Film ist aber immer Teamarbeit und man hat sehr viel voneinander gelernt. «Das Regie-Duo besitzt eine wahnsinnige Stilsicherheit», betont Greutert, «auf der anderen Seite kann ich mit über zwanzig Jahren Berufserfahrung viel in Punkto Dramaturgie besteuern.» Beispielsweise haben vier Personen am Drehbuch geschrieben und für die Kampfszenen wurden Profis aus Deutschland engagiert. Valentin Greutert konnte mit seinen Erfahrungen zudem bestens beurteilen, welche Ideen realistisch sind und welche nicht. «Wir haben schon in der Drehbuchentwicklung darauf geachtet, was möglich ist. Exploitation muss aber nicht perfekt sein. Ich bin recht stolz, dass wir keinen Kahlschlag ansetzen mussten.» Damit meint er, dass man dem Film nicht ansieht, wie verhältnismässig tief das Budget war.

 

«Mad Heidi» würde heute als mittelgrosse Produktion gelten. Trotzdem betont Valentin Greutert, dass die Herausforderung nicht zu unterschätzen sei. Das Vorhaben, ohne klassische Filmförderung auszukommen, war ambitioniert. «Es sind viele Element im Bereich Special Effects, Masken, aber auch Ausstattung und Kostüme, Visual Effects oder Kampfszenen und Stunts im Film, die den Rahmen jeder durchschnittlichen Schweizer Produktion bei weitem sprengen würden», unterstreicht der Filmemacher und erzählt weiter: «Wir haben im Film viele Dinge gemacht, die man in der Schweiz kaum kennt, insofern war es produktionell gesehen eine grosse Herausforderung.» Dass so eine Produktion überhaupt gut läuft, hängt für Valentin Greutert klar mit der guten Stimmung und dem Einsatz aller Teammitglieder zusammen. Der Austausch sei jederzeit kollegial gewesen, betont Greutert und so waren «viele Köche da, die mitgekocht haben».

 

Innovative Ideen für die Finanzierung

 

Schnell war klar, dass der Cast international sein würde, weil diese Art Film zu grossen Teilen über den internationalen Markt vermarktbar ist. Alice Lucy, die als Heidi besetzt wurde, ist Engländerin und besitzt den zweiten schwarzen Dan-Gurt in Taekwondo. Das war ein Faktor bei der Entscheidung, ihr die Hauptrolle zu geben. «Es war relevant, ob jemand Kampferfahrung hat. Gerade bei der knappen Vorbereitung, die wir hatten, war ein grosser Vorteil, dass Alice Lucy wusste, wie sich ein Kampf anfühlt. Natürlich war wichtiger, dass sie ein gutes Heidi ist, aber Alice hat das gesamte Paket.» Mit David Schofield, der etwa in «American Werewolf» oder «Gladiator» zu sehen war, oder «Starship Troopers»-Ikone Casper Van Dien konnten bekannte Namen gewonnen werden. «Mit Casper zu drehen war ein Bubentraum und hat den Blick auf den Film geöffnet», erzählt Valentin Greutert und in seinen Worten schwingt die Leidenschaft für Film mit. Neben den internationalen Stars sind einige bekannte Schweizer Namen im Cast. Etwa Charakterdarsteller Max Rüdlinger («Mein Name ist Eugen»). 

 

Greutert war schnell klar, dass der Film ein anständiges Budget benötigen würde. Das erhoffte Budget wäre mit Crowdfunding alleine niemals zustande gekommen bzw. die Ansprüche wuchsen mit dem Fortschritt bei der Drehbuchentwicklung. Also mussten neue Ideen her. Mit der Londoner Firma Filmchain wurde eine Crowd-Investing-Lösung entwickelt, bei der Filmfans Kleininvestoren werden konnten und so direkt am Film beteiligt sind, quasi von Anfang an automatisiert am Erlebnis teilhaben. Das Prinzip funktioniert über Blockchain-Technologie, die auch bei Kryptowährungen zum Einsatz kommt. «Wir mussten nur noch für die passende Software und eine Website bauen», erläutert Valentin Greutert. Dieser Ansatz hat 538 Filmfans auf der ganzen Welt überzeugt und das Budget konnte um 2 Millionen Schweizer Franken erhöht werden. Durch diese Lösung wurden aufwändige Administration unnötig, was viel Zeit sparte. Die Community, die um den Film gebaut wurde, brachte noch einen weiteren Vorteil mit sich: Schwarmintelligenz. «Die Suche nach Drehorten fand teilweise über klassische Location Scouts statt. Aber auch über die Community, welche viele Inputs geben konnte. Fragte man beispielsweise nach einer Kapelle, tauchten schnell 50 Vorschläge auf. Bei Kostümen war das sehr hilfreich und lässig, etwa bei einem speziellen Mantel, den wir so gefunden haben», führt Greutert aus.

 

Synchronisationen in Französisch, Spanisch und

Deutsch für internationalen Kinostart

 

Dieser neue Ansatz bei der Finanzierung könnte in einer globalisierten Filmbranche durchaus ein Versprechen an die Zukunft sein, Innovation und Pioniergeist aus der Schweiz quasi. Der Ansatz könnte andere Filmemacher dazu bewegen, ihre Projekte umzusetzen und direkt mit dem Support der Fans ihre Filme auf die Leinwand zu bringen. «Dazu kommt, dass die Gewinne ohne Zwischenstationen sechs- bis zehnmal höher sind», fügt Valentin Greutert an. «Wir müssen generell globaler denken und uns vom rein Lokalen lösen», ist er sich sicher und im besten Fall ist der Weg, den «Mad Heidi» zeigt, eine neue Möglichkeit für das unabhängige Filmschaffen.

 

Am 24. November kommt der Film nun für zwei Wochen in die Kinos. Neben der Schweiz auch in Ländern wie Frankreich, Spanien, Deutschland oder Österreich. «Wir haben dafür Synchronisationen in Französisch, Spanisch und Deutsch erstellen lassen», erklärt Valentin Greutert. «Sonst hat man in manchen Ländern gar keine Chance auf einen Kinostart.» Dass der Film zwei Wochen in den Kinos läuft, war gar nicht so geplant. Ursprünglich sollte er rein über Streaming verfügbar sein. «Aber die Nachfrage war so gross, dass wir uns für diesem Schritt entschieden», erklärt Greutert. Allerdings startet der Film in allen Ländern gleichzeitig, was zumindest in der Westlichen Hemisphäre inzwischen normal ist. «Streaming-Dienste drücken einmal auf einen Knopf und die ganze Welt schaut das Gleiche», erklärt Greutert. So kann man zudem die Marketingkosten tiefer halten, weil sie nur einmal notwendig sind, und zusätzlich verhindern, dass der Film für die Piraterie ein grosses Thema ist. «Der Anspruch an einen Film muss international sein, damit er breit geschaut wird», ist Greutert überzeugt. Ab dem 8. Dezember ist der Film für zwei Monate exklusiv über www.madheidi.com als kostenpflichtiger Stream zu sehen. Erst danach wird «Mad Heidi» weiter ausgewertet und an anderen Stellen verfügbar sein.

 

Wenn Greutert über «Mad Heidi» und über den kreativen Ansatz zwischen blutigen Bildern, käsigen Klischees und innovativen Ideen spricht, ist gut zu hören, wie sehr ihm der Film am Herzen liegt. Das täuscht nicht: «So wie ich produziere, gilt: Es ist kein Geschäft, sondern Leidenschaft», erklärt er und meint damit, dass er als Produzent uneitel dort mithilft, wo es eben nötig ist, und Greutert ergänzt abschliessend: «Wir verdienen ja erst Geld mit «Mad Heidi», wenn der Film erfolgreich ist. Bisher haben wir enorm viel gearbeitet, aber auch ebenso viel Spass gehabt.»

 

  • Mad Heidi läuft ab 24. November in den Schweizer Kinos.

 

Dieser Artikel ist Teil einer Textpartnerschaft mit zuerich24.ch

 

Bäckstage Redaktion / Di, 22. Nov 2022