Ben Dickey im Interview: «Life’s pretty psychedelic»

Interview mit Blaze-Star Ben Dickey
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© Tanja Lipak

Bäckstage-Redakteurin Tanja Lipak konnte während des Fimfestivals Locarno nicht nur mit «Blaze»-Regisseur Ethan Hawke, sondern auch mit Hauptdarsteller Ben Dickey sprechen. Ben ist selbst erfahrener Musiker und hat nach unserem Interview im August seinen neusten Plattendeal mit dem neugegründeten Label «SexHawkeBlack» im September gefeiert. Das Label wurde – die Namen verraten es schon  -  unter anderen von seinen beiden «Blaze»-Kameraden Ethan Hawke und Charlie Sexton gegründet. Wie die Zusammenarbeit der Drei am Set war, wie sich Ben auf seine allererste Filmrolle überhaupt vorbereitete (für die er in Sundance als bester Darsteller ausgezeichnet wurde), wie aus einer Schnapsidee der Film entstand, weshalb er und seine Film-Schwiegermutter Seelenverwandte sind, warum Alia Shawcat die Pinkelszene drehen musste und wie er «seine Band» mit Hawke und Sexton betiteln würde, hat er uns verraten.

 

Ben, wie geht’s dir? 

Sehr gut, es macht grossen Spass hier in Locarno zu sein.

 

Es ist aber nicht dein erstes Festival, du warst auch in Sundance …

(Ben unterbricht und wirft ein) Ja, dort war es viel kälter als hier (lacht). Aber wir hatten Locarno nun schon sehr lange auf dem Plan, dementsprechend gross ist die Freude hier zu sein.

 

Erzähl mal, wie kam es zum Film? Hat Ethan dich einfach mal angekickt und gefragt, ob du gerne Blaze Foley verkörpern möchtest? 

 

Wir hatten viele kleine Fantasie-Gespräche, wie wir gerne etwas über diese spzielle Truppe schreiben würden, also alle zusammen, über beispielsweise Townes van Zandt, es war nie als reine Blaze-Story gedacht gewesen. Am Silvesterabend von 2015/16 hat bei Ethan der Blitz eingeschlagen, er sprang auf und fragte mich, ob ich Blaze verkörpern möchte und dass er gerne dabei Regie führen würde. Ich hielt das nicht für viel mehr als eine Schnapsidee und habe mich bereits darauf eingestellt, dass er sich bereits am nächsten Tag nicht mehr daran erinnern wird. Doch zum Glück war das nicht der Fall. Zwei Monate später wurde es dann ernst, als er Sybils Rosens Buch «Living in the woods in a tree» las. Er bat mich dann ebenfalls das Buch zu lesen, was ich auch tat und danach schlug er vor, Ende des Jahres den Film zu drehen.

 

Hast du Schauspielunterricht genommen oder hat Ethan dich unterrichtet?

 

Ich beobachte Ethen gerne bei seiner Arbeit und ich habe ihn schon mehrmals am Set besucht bei diversen Filmen. Er hat mich immer schon über die Schauspielerei aufgeklärt und sie mir greifbar gemacht, aber es war dann sein alter Kumpel Vincent D’Onofrio, den ich über Ethan kennenlernte, der mich durch diverse Schauspieltrainings zog. Vincent half mir damit sehr und gab mir ein paar gute Grundlagen auf denen ich dann aufbauen konnte. Sie waren simpel, aber aufrichtig. Er ist ein grosszügiger Mensch und er brachte eine gewisses ruhiges Selbstvertrauen in mir hoch, welches ich ohne das Training mit ihm nicht gefunden hätte.

 

Hast du dieses Selbstvertrauen auch ins Musikmachen aufgenommen?

In Bezug zur Musik hatte ich immer schon ein gutes Selbstvertrauen, da ich seit meinem 18. Lebensjahr Musik mache. Ich hatte zwar keinen grossen Erfolg damit, aber ich war in vielen Bands und hatte viel Spass dabei. Jedoch hat das Schauspieltraining noch meinen Bezug zur Musik und die Erforschung der Musik- und Filmwelt vorangetrieben. Ich bin von Haus aus ein Gitarrist, habe mit dem Dreh aber viele neue Beats und neue Rhythmen spielen gelernt.

 

In gewisser Weise ist doch das Musik machen und Schauspielern sehr unterschiedlich. Wenn du Songs schreibst, bist du allein bei dir und beim Schauspielern muss du aus dir heraustreten. So wie bei einem Konzertauftritt. Wie siehst du das? Haben die zwei Disziplinen mehr Parallelen oder mehr Unterschiede?

Ich fand sehr viele Parallelen. Ich weiss nicht, ob es wirklich fair ist, dies zu sagen, aber alle Tools, die ich verwende, um Musik zu schreiben - sie zu spielen -, insbesondere wenn ich jemanden mit der Gitarre begleite, erinnert mich ans Schauspielen. Du suchst zusammen nach dem Rhythmus der Musik oder nach dem Rhythmus der Szene, dies ist meinem Empfinden nach dasselbe. Dieser Schauspieler spielt eine Szene und du eine andere und es kommt auf die Harmonie der beiden Darbietungen an, das ist bei einem Musikaufritt nicht viel anders. Es geht um die Einbettung deiner Emotionen mit jener der anderen Schauspieler, sei das in der Musik oder beim Film. Mit dieser Betrachtungsweise fiel es mir intuitiv einfach zu verstehen, wohin Ethan mit einer Szene hinwollte oder was gerade von mir verlangt wurde.

 

Sybil Rosen schrieb mit Ethan zusammen das Drehbuch zum Film, basierend auf ihrem Memoiren «Living in the woods in a tree» über ihre Zeit mit Blaze. Gab sie dir ein paar Tipps und Tricks wie du Blaze spielen solltest? Sie verkörpert im Film ja auch ihre eigene Mutter, sprich Blaze Foley’s Schwiegermutter.

 

Sybil zu treffen, sie kennenzulernen und sich mit ihr anzufreunden war im Grunde eines der schönsten Dinge bei diesem Film. Kennst du dieses vertraute Bauchgefühl, wenn du jemanden zum ersten Mal triffst und du dabei das Gefühl hast, die Person seit immer und ewig zu kennen? Dies traf auf Sybil und mich zu. Etwa einen Monat vor Drehstart schrieben Sibyl und ich uns kleine elektronische Nachrichten. Nichts Langes, nur kurze Sachen, die auf einer Postkarte Platz hätten. Wir waren mitten in der Vorproduktion, ich lernte Blaze’s Lieder spielen und studierte das Script. Ich hatte keinen Lesepartner und tat dies allein, aber ich erhielt jeden Tag diese kleinen Text-Goodies von Sibyl. Sie sandte mit auch die realen Postkarten, die sie von Blaze erhalten hatte, zu. Wir kamen uns sehr, sehr nahe ohne uns je getroffen zu haben, so dass wir am besagten ersten Treffen, dann ganz nervös wurden. Die Verbundenheit mit ihr, die Geschichten, die sie mir erzählt hat und ihre Grosszügigkeit mir gegenüber machten mich gelassen und zuversichtlich. Es ist sehr merkwürdig eine real existierende Person darzustellen und genauso merkwürdig ist es, wenn Freunde und Bekannte dieser Person dich anschauen und unbewusst Vergleiche anstellen, dies ist sehr schwer. Es lässt dein Herz anschwellen. Sybil gab mir grosse Freiräume und ich musste sie nicht ständig darum fragen, ob ich Blaze so oder so besser verkörperte oder imitierte, weil es nicht darum ging ihn nachzuahmen, sondern ihn als Person so authentisch wie möglich darzustellen.

  

Alia Shawkat - die Sybil Rosen im Film verkörpert - und du, ihr habt eine phänomenale Chemie zusammen. War das von Anfang an der Fall, seit dem ersten Treffen?

 

Ich habe ihr von Anfang an anvertraut wie nervös mich die ganze Sache machte und ich im Vergleich mit ihr keinerlei Schauspielerfahrung besass. Sie war mir gegenüber sehr offen, warm, freundlich und grosszügig. Sie lud mich ein, zusammen zu sein (lacht). Am ersten Tag an dem wir zusammen drehten, kam sie auf mich zu und bot mir an, den Dialog zusammen durchzugehen und ein wenig herumzuspazieren und uns damit gemeinsam vorzubereiten. Ich dachte mir nur «aha, so macht man das also als richtiger Schauspieler» (lacht). Zusammen Proben und Spazieren, dies hilft wirklich sehr. So simpel es sich anhört (lacht). Und ich bewunderte sie schon immer als Künstlerin, dies machte die Sache natürlich ebenfalls um vieles einfacher.

  

Sie hat einen Film mit Adam Green gedreht, «Aladdin». Sie verkörpert dort Adams Schwester. Das Ganze ist ein wenig weird und sie singen alle zusammen. Und es ist - mir fällt das Wort grad nicht ein - aber es ist speziell …

 

(lacht). Ja weird, das klingt genau nach Alia (lacht). Sie ist auch eine wunderbare Sängerin. Muss ich mir demnach noch anschauen.

 

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit Charlie Sexton angefühlt? Er ist ja wie du ursprünglich Musiker und nicht Filmdarsteller.

 

Ich habe Charlie seit Kindestagen bewundert. Ich lass als Teenie Interviews mit ihm in Gitarrenzeitschriften und konnte seinen Erfolg gar nicht glauben. Wie er mit 22 Jahren schon mit Bowie spielte und jetzt seit einiger Zeit mit Dylan unterwegs ist. Er ist eine wunderbare und unglaublich musikalische Person. Mit Charlie zu drehen war schon ein Traum, der in Erfüllung ging und wir wurden auch zu engen Freunden dadurch. Er hat einen Song von mir produziert, Ende letztes Jahr. Er forscht immer noch nach neuen Sachen und besitzt eine unerschöpfliche Neugierde. Wir haben uns diesen beiden Rollen voll hingegeben und entwickelten dadurch einen engen Band. Es war wirklich «psychedelic».

  

Ah jetzt erinnere ich mich daran, welches Wort ich zur Beschreibung von Adam Greens «Aladdin» suchte. Psychedelic. (lacht).

(Lacht) Ich finde das Leben ist schon recht psychadelic (lacht).

 

Heute ist mir bei der Pressekonferenz aufgefallen, dass eure ganze Cast schon einer enge Truppe wurde. Auch in privater Hinsicht.

 

Ja, wir haben alle ein gemeinsames Ziel verfolgt und uns dabei gegenseitig mitgerissen. Auch Kris Kristofferson war ein Geschenk für den Film. Einer der ersten Momente in denen ich auch Townes Van Zandt aufmerksam gemacht wurde, war in einer Aufnahme von Kris an den Country Music Awards, als er weinte, weil Townes zum ersten Mal richtig anerkannt wurde. Auf der Bühne heult Kris vor Glück für Townes Anerkennung, das hat mich schwer beeindruckt. Beim Film waren wirklich alle mit vollen Herzen dabei.

 

Du warst bei «Blaze» seit der ersten Idee an Bord und hast auch am Location Scounting teilgenommen, dann gedreht auf die Postproduktion gewartet und bist nun hier. Musstest du viel Geduld haben?

 

Mein Schatz Beth Blofson war die Art Directorin des Films, weshalb mir das Location Scounting mit ihr gar Nichts ausmachte (lacht). Wir fuhren in Louisiana herum und ich wohne nun in Louisiana und deshalb war das fantastisch. Sehr interessant war dann als der Rest der Crew hinzukam und die ausgesuchten Sets sah, waren sie völlig überzeugt. Es war sehr schön diese Anerkennung von Beginn an zu erfahren. Es fing schon von Anfang an mit Freude und gemeinsamer Begeisterung an.

 

Wie war der Dreh für dich? Hast du dich wie der Musiker der schauspielert oder wie der Schauspieler, der singt gefühlt?

 

Schau es lief so ab: Ethan kam auf Charlie und mich zu, erklärte uns wie er die Szene mit welchem Song aufbauen möchte und wir sollten ihn dann musikalisch «beraten». Ein Beispiel für so einen Fall ist die Badezimmerszene, in der ich als Blaze trocken in der leeren Badewanne liege und singe, während Sibyl vorbeikommt und aufs Klo geht. Der einzige Ort mit der perfekten Akkustik war in dieser Wohnung das Badezimmer, also drehten wir die Szene so. Und wir haben ja schon von Anfang an beschlossen den Soundtrack grad am Set und noch während den Filmszenen aufzunehmen, deshalb war es sehr wichtig den richtigen Ton zu treffen. Und wir haben überall am Set Mikrophone versteckt (lacht). Und Charlie half mit, die Gitarren pro Lied auszusuchen und gut zuzuhören, um alles so optimal wie nur möglich auszugestalten. Es fühlte sich magisch an, weil wir uns hier auch sehr gut ausleben konnten (lacht). Und dies führt mich zu deiner Anfangsfrage, ich wollte gute Musik machen, aber nicht Blaze imitieren. Aber ich wollte einen guten Eindruck davon vermitteln, was für ein Mensch er war, wie er seine Gitarre hielt oder so sanft singen konnte, wie er sang. Ich wollte die Lieder mit dem Publikum teilen und die Songs dem Publikum näher bringen.

 

Du hast so viel Zeit mit Blaze‘ Songs verbracht, gab es einmal eine Zeit wo du genug von den Songs hattest?

 

Nein, nein. Es war eine Freude sich in den Songs zu marinieren (lacht). Es gab Lieder von denen ich immer sagte, dass ich sie von Anfang an, als ich sie zum allerersten Mal vor Jahren hörte, bereits sehr mochte. Aber als ich sie dann 15, 20 Mal am Stück nacheinander spielte, musste ich mir eingestehen, dass ich nicht wusste, dass dieser eine Part bei diesem einen Song so gut war oder aussergewöhnlich. Ich erhielt durch die Wiederholungen eine neue Perspektive auf die Werke. Eine äusserst interessante Sache mit einem guten Song ist – insbesondere wenn du den Song selber geschrieben hast –, er fängt an dich auf andere Sachen aufmerksam zu machen als jene die du zuerst beim Lied im Sinn hattest. Und das Lied verändert sich und leitet dich in komischer Art und Weise. Aber das ist eben das tolle am Musik machen, es ist sehr mysteriös und lustig und «strange». Und manchmal verlierst du das gute Gefühl bei einem Song. Und du willst es nicht mehr spielen, doch irgendwann kommt der Song zu dir zurück und erzählt vielleicht eine andere Message als die ursprüngliche. Ich werde also nie müde alte Songs zu spielen, weder mein noch die von Blaze.

 

Du hast die Dreharbeiten zu deinem nächsten Film – den Western «The Kid», erneut mit Ethan und Sam Rockwell sowie diesmal unter der Regie von Vincent D’Onofrio gedreht. Kannst du uns etwas dazu verraten?

Es geht um Billy the Kid, aber eigentlich geht es um diesen jungen Kerl und seine Schwester die eine Tragödie erleben und in den Wald flüchten, wo sie auf Billy und seine Bande treffen. Ethan spielt Pat Garret und ich seinen Deputy und es gibt echt niemanden, der mehr Freude daran haben konnte als wir. Wir liebten Vincent und die Art wie er arbeitete, wir lieben Pferde, wir liebten es Cowboys zu sein. In letzter Zeit kneife ich mich oft, weil ich nicht glauben kann, was mir zurzeit alles wiederfährt, aber ich weiss noch, beim Dreh als die Sonne am Set über den Bergen aufging und ich auf meinem Pferd sass und Billy the Kid als meinen Gefangenen hatte, da hab ich mich gefragt «wie bist du hierhin gekommen?». Egal es ist einfach «pretty cool» (lacht).

 

Magic happens

Ja, mein Leben ist plötzlich sehr magisch. (lacht)

 

Wie geht es mit deiner Musik weiter?

Ich habe letzten Winter (2017) eine Platte aufgenommen mit Charlie Sexton. Wenn der Blaze-Blitz mal vorüber ist, schauen wir uns an wie wir das ganze rausgeben können. Ich versuche eine Band zusammenzutrommeln.

 

Manchmal habe ich das Gefühl, dass du Ethan, Vincent, Sam usw. auch eine Band und auf gemeinsamer Tour seid (Ben fängt an zu lachen) und jeder neue Film ist eine neue Tour. Wenn ihr eine Band wärt, wie würdet ihr euch nennen?

 

Ouuuu, sehr gute Frage. Lass mich darüber nachdenken … Wie wär‘s mit … nein warte kurz … wie wäre es mit The Resituaters? Wie im Sinne von jemand der reinkommt und alles umstellt. Die Umsteller/ die Umbauer/ die Umplatzierer. Weil wir immer wieder die Dinge umbauen, das Leben ist ein einziges Aufbauen und Abbauen.

 

Und du siehst euch dies die nächsten 50, 80 Jahre weiter so zu tun?

 

Ou ja auf jedem Fall…

 

Die Tür knallt plötzlich auf und ein freudiger Ethan Hawke platzt in unser Interview. Wir fangen an zu lachen und ich erhalte noch ein Foto mit The Resituaters.

 

 

 

Tanja Lipak / So, 18. Nov 2018