Vom alten Bunker auf die Bühne

Portrait: Fräulein Luise
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zVg, © Arne Holicki

«Nur Fräulein Luise geht elegant gekleidet vorüber», heisst es in einem Text der Band, die eben jenes Fräulein aus Dürrenmatts «Besuch der alten Dame» als Namen trägt. Das Gespür für Sprache ist eines der Markenzeichen der jungen Zürcher Band, neben dem mehrstimmigen Gesang. Der Name ist aber keinesfalls Programm, Fräulein Luise gehen nicht kaum bemerkt vorüber, sie bleiben im Gedächtnis.

 

«Paula und ich kennen uns seit frühester Kindheit», erzählt Sängerin Olivia. In der Coronazeit ist beim Spazieren ein Wunsch Realität geworden. «Paula hat mich gefragt, ob ich singen würde und ob ich noch weitere Leute kenne», erklärt Olivia. Sie habe an Paul gedacht, den sie von einem Schulprojekt kennt und Paul war dabei. «Der Anfang war aber harzig», sind sich die beiden Frauen einig. Man hat sich unregelmässig in einem alten Bunker getroffen und so richtig auf Touren kam die Band nicht. Den Startschuss hat erst eine spontane Entscheidung gebracht.

 

Chemie hat auf Anhieb gepasst

 

Paula, die Klavier und Gitarre spielt, und Olivia haben die Band beim bekannten Band-It-Contest angemeldet. Ohne Paul etwas zu sagen. Unter Hochdruck wurden bereits bestehende Texte und Songfragmente von Paula ausgefeilt und in Songs verwandelt. Die erste Runde am Contest überstand die Band, bekam aber den guten Rat, sich jemanden für das Schlagzeug zu suchen. Nach erfolgloser Suche erinnerte sich Paula an Alioscha, den sie bei einer Velodemo getroffen hat. Die Chemie hat auf Anhieb gepasst und so war die Band für das Finale komplett. Alioscha wäre eigentlich noch in den Ferien gewesen, aber hat extra einen früheren Zug gebucht, um dabei zu sein. So sollte das Finale beim Band-It der erste Auftritt zu viert werden.

 

Am Tag des entscheidenden Gigs stand ein kleines Set und die Nervosität war gross. «Man schreit innerlich», bringt es Olivia schön auf den Punkt. «Wir waren alle mega nervös, weil es erste der vierte Auftritt war und der erste mit Alioscha», fügt Paula hinzu. Der Auftritt fand dann aber pandemiebedingt vor praktisch leerer Bühne an den Winterthurer Musikfestwochen statt. Dafür mit den gelben Socken, die die Band bei jedem Gig trägt. «Für mich war es ein guter Einstieg, weil wir im Publikum fast alle kannten und so eine Art sichere Umgebung entstand», erzählt Olivia. Die Energie von Fräulein Luise hat live gezündet und so holten sie beim Band-It den Sieg. Für die Band kam dieser Sieg völlig überraschend, hat aber den Willen gestärkt. Paula beschreibt es als Erfahrung «die uns einen Push gegeben hat, weil wir plötzlich eine Band waren».

 

Fräulein Luise - «W.» live im Moods

 

Als Zuhörer staunt man dagegen weniger über den Sieg. In den Songs steckt nicht nur sehr viel Potential, sondern auch sehr viel Talent. Gerade in den Arrangements, die schnörkellos, aber effektiv sind. «Wir haben schon einen Plan und wissen, wie wir klingen möchten», erzählt Paula und ergänzt: «Wir investieren inzwischen viel Arbeit in die Band und die Proben. Es ist längst mehr als ein Hobby.» Gerade neben Gymnasium und beginnendem Studium sei das nicht immer einfach zu organisieren. Die Texte sind aktuell, handeln von globalen Krisen und lokale Themen sowie tiefmenschlichen Emotionen. Ein intellektueller Hauch schwingt mit, jedoch ohne abgehoben zu wirken. Schliesslich ist das Leben hin und wieder nachdenklich. Bis jetzt sind die Texte überwiegend in Deutsch bzw. Mundart, aber Fräulein Luise halten sich sämtliche Aspekte offen. «Deutsch ist unsere Muttersprache, so kann ich mich am besten ausdrücken», unterstreicht Paula.

 

«Plötzlich waren wir eine Band.»

 

Dass die Lyrics ein wichtiger Teil der Band sind, hört man gut. Etwa in «W», wo mit der Ohnmacht über die Welt abgerechnet wird. Oder in der Art wie sich die Band in «Marie» dem Thema Missbrauch auf sehr berührende und feinfühlige Art nähert. Ohne zu werten und ohne Wut, dafür mit viel Anteilnahme. Und «Eusi Stadt» kann als Ode an die dunkle Seite der Limmatstadt gesehen werden, schliesslich lebt die Band in der Stadt und dem Grossraum Zürich. Das wird in manchen Texten deutlich und trotzdem sieht sich die Band nicht unisono von Zürich geprägt. «Wir erzählen halt aus unseren Leben und versuchen das ehrlich zu tun», bringt es Paula auf den Punkt. Bei Fräulein Luise ist die Welt nicht schwarz/weiss, sondern funkelt in ganz vielen Grau- und Farbtönen.

 

So wenig sie sich bei den Texten einschränken wollen, so offen sind Fräulein Luise musikalisch. Mal klingen sie wie klassische Songwriter («Marie») und mal sind sie poppig und mit melodiösem Basslauf unterwegs («W.»). Wenn man sich abschliessend nochmals in Erinnerung ruft, dass diese Band vor dem Band-It-Contest vor knapp einem Jahr überhaupt nicht existiert hat, scheint das Potential riesig. Man darf gespannt sein, was das Quartett mit all den Erfahrungen, die es in kurzer Zeit gemacht hat, im Studio für ein Debütalbum einspielen wird. Schliesslich, das wird auch im Gespräch klar, nimmt die Band ihre Musik unbedingt ernst, sich selbst dafür etwas weniger wichtig. «Sonst wird man schnell arrogant und wir sind ja auch niemand, der wichtig ist», findet Paula. Eine sehr sympathische Einstellung.

 

 

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Bäckstage Redaktion / Mo, 04. Apr 2022