Nemo: «Mein Leben ist langweilig, abgesehen von der Musik.»

Interview mit Mundart-Rapper Nemo
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© Tanja Lipak

Der 18-jährige Rap-Überflieger Nemo ist seit dem SRF Virus Bounce Cypher 2016 in allen Ohren. Am diesjährigen Gurtenfestival filmte er für den Instagram Account des Festivals täglich Stories und trat als Performer auf der Waldbühne auf. Eine super Gelegenheit, den jungen Bieler zu treffen und mit ihm Bilanz zu ziehen. Im Interview mit Bäckstage erzählte Nemo, was sich bei ihm so alles seit dem Cypher verändert hat und was gleich geblieben ist. Was ihn vor und nach dem Auftritt beschäftigt und über welche Themen er in Zukunft Musik machen möchte.

  

In deinen Songs thematisierst du deinen rasanten Aufstieg («Blockbuster») oder die Frage, was tun im Leben («Ke Bock»)? Diese Themen sind nun durch, was kommt nun?

Mit jeder Idee kommen mir hunderttausende neue Möglichkeiten für einen Song. Ich möchte über Sachen singen, die ich beobachte oder ganz einfach Geschichten erzählen. Über die Liebe schreiben. Themen wie die Liebe geben immer genug Inspiration her (lacht).

  

Und wie stark lässt du dich dabei von deinen persönlichen Erfahrungen leiten?

Jedes Lied hat zwar eine persönliche Note. Aber es gibt auch Lieder, die machen so viel Spass zu schreiben, dass es doof wäre da noch eine persönliche Erfahrung einzubauen. Du kannst beim Texten meiner Meinung nach völlig frei agieren und die lustigsten sowie traurigsten Momente erfinden. Persönliches könnte die Sache dann wieder ein bisschen langweilig machen.

   

Und wie hat sich dein Leben persönlich seit dem Cypher verändert? Ein typischer 18 Jähriger bist du ja nicht mehr …

Ich bin ohne Erwartungen an den Cypher und wollte dort nur mein Zeugs machen. Nie hätte ich geahnt, dass das dann quasi über Nacht - zumindest in der Schweiz – explodiert. Aber dann ist es halt passiert (lacht). Alles flog in unkontrollierbaren Bahnen und ich versuche seither da mitzuschwimmen. Aber so viel hat sich seither auch nicht gross verändert. Der Freundeskreis ist immer noch derselbe und der Familienkreis logischerweise auch (lacht). Was sich verändert hat, ist dass die Leute, die an meine Konzerte kommen, jetzt auch die Lieder mitsingen, oder dass ich ab und zu auf der Strasse erkannt werde. Aber das sind alles coole Momente. Zurzeit stehen viele Konzerte und viel Schreiben an. Ich bin im Studio dabei neue Songs zu entwickeln. Zurzeit beschäftigt mich insbesondere die Frage, wie ich das ganze «Spass haben» auch auf Songs übertragen kann. Aber um zu den Veränderungen zurückzukommen, ich denke jeder Job bringt halt Veränderungen im Leben mit sich. Wenn du Koch bist, arbeitest du halt am Weekend.

  

Du als Musiker aber auch.

  Ja stimmt. Oder in der Nacht (lacht).

 

 

Ich wollte schon immer Musik machen, es hat auch ein wenig mit dieser unkontrollierbaren Bahn zu tun. Du machst mal und du denkst gar nicht daran, wie sich das entwickeln könnte, doch plötzlich findest du Anklang und gibst Interviews. Ich sage in den Interviews einfach was ich denke …

  

 

Mit 13 Jahren bist du für das Musical «Ich war noch niemals in New York» auf der Bühne gestanden. Wie unterscheiden sich deine Erfahrungen als Rapper zu jenen als Musicalsänger?

Jetzt hat das Ganze eine viel persönlichere Ebene. Es geht vielmehr um mich und darum was ich will und was ich darstellen möchte. In einem Musical spielst du eine Rolle und es gibt gewiss auch Künstler, die eine Rolle spielen, aber als Künstler stehe ich jetzt als Nemo da und nicht als eine Figur in einem Musical.

   

Obwohl du nun schon ziemlich erfolgreich bist, den «Swiss Music Award - Talent» in der Hose hast und bereits allein oder als Vor-Act bei Manillios Tour aufgetreten bist, findet man keine Negativzeilen über dich. Nemo der Saubermann?

Es wäre auch komisch, wenn ich sagen würde «Für den nächsten Promoplan brauchen wir noch irgendeinen Skandal, ich renne jetzt einmal nackt in Biel herum». Ich wollte schon immer Musik machen, es hat auch ein wenig mit dieser unkontrollierbaren Bahn zu tun. Du machst mal und du denkst gar nicht daran, wie sich das entwickeln könnte, doch plötzlich findest du Anklang und gibst Interviews. Ich sage in den Interviews einfach was ich denke … vielleicht kommt mal noch ein grosser Skandal, wenn ich lieber hätte still sein sollen (lacht).

    

Wie würdest du dich selber beschreiben?

Ich bin nicht extrovertiert, aber auch nicht introvertiert, irgendetwas dazwischen. Neben der Musik mag ich Filme sehr gerne. Zuletzt Mal habe ich «Birdman» wiedergesehen, schon etwa zum sechsten Mal. Den Film finde ich wahnsinnig geil. Ja was mache ich noch? Ich glaube mein Leben ist voll langweilig, abgesehen von der Musik (lacht und überlegt). Kunst und Literatur faszinieren mich, auch Philosophie, aber ich bin jetzt in keiner dieser Fachrichtungen tief verankert, es sind einfach Themen mit denen ich mich gerne ab und zu beschäftige.

   

Gibt es Vorbilder?

Ganz viele. Aber für mich ist das wie die Frage, was ist dein Lieblingsfilm, diese Frage kannst du nicht einfach beantworten. Ich habe sehr viele Vorbilder und picke mir von allen ein wenig heraus, was ich brauchen kann. Ich habe auch nicht das eine ultimative Vorbild, dass ich mit allen Mitteln nachahmen muss. Ich mache immer wieder Neuentdeckungen, die mich faszinieren und von denen ich lieber das ein oder andere abschaue, anstatt sie 1:1 zu imitieren.

  

 

Wir sind auch noch eine sehr kleine Band mit Gitarre, Keyboard und einem DJ, aber meine Songs würden da sicher noch ein paar Musiker mehr vertragen auf der Bühne. Mehr E-Drums zum Beispiel.

 

 

Morgen hast du auf der Waldbühne dein Konzert am Gurtenfestival. Wie bereitest du dich auf einen solchen Auftritt vor? Hast du irgendwelche Rituale?

Ja ich versuche meine Stimme ein wenig anzuwärmen, da mache ich Übungen wie (macht es direkt vor) «brüüübrüüübrüüü» «HoHoHooo» «PtsPtsPts». Das finde ich noch sehr wichtig. Früher bin ich nach den Konzerten recht heisser gewesen, daraus habe ich gelernt und versuche nun vorbereitet auf die Bühne zu hüpfen (lacht).

  

Und wie entspannst du nach dem Konzert?

Ich habe meist immer tausend Gedanken, wenn die Show einmal vorüber ist. Diese Gedanken muss ich zuerst einmal ordnen. Es geht dabei meist eine ganze Stunde nach dem Konzert, bis ich mir im Klaren bin, ob das eine gute Show war oder ich jenes oder dieses hätte besser machen sollen.

   

Bist du ein wenig selbstkritisch?

Ja, das auf jeden Fall. Ich denke, dass es ist wichtig ist, dass man sich nicht allzu schnell zufriedengibt, wenn man Konzerte gibt. Ich bin ehrlich gesagt auch noch nicht 100% zufrieden mit der Show, wie wir sie zurzeit geben. Die Show ist zwar auf einem Level, mit welchem man auf die Zuschauer zugehen kann, aber es zeigen sich immer wieder Elemente, die noch auszutüfteln sind. Auf der audiovisuellen Seite gibt es bestimmt noch ein wenig Luft nach oben, dort könnte man noch was machen. Und wir sind auch noch eine sehr kleine Band mit Gitarre, Keyboard und einem DJ, aber meine Songs würden da sicher noch ein paar Musiker mehr vertragen auf der Bühne. Mehr E-Drums zum Beispiel. Und eine Bläsersektion wäre nice. Ja, da könnte ich richtig abschweifen und träumen (lacht).

 

Du spielst selber auch viele Instrumente nicht? Klavier, Gitarre, Geige..

Nein das ist nicht ganz wahr (lacht). Ich habe zwar viele dieser Instrumente angefangen zu lernen, aber wirklich beherrschen kann ich sie heute nicht. Am meisten hilft mir heute das Keyboard beim Komponieren meiner Songs. Auch für die Produktion. Dann kann ich die Keys am Computer anstecken und weitere Instrumente wie Geige oder Drums via meinem Piano spielen.

   

Spielst du den Dirigenten bei deiner Band? Oder wie läuft das ab, wenn ihr am Üben seid für einen Auftritt wie am Gurtenfestival?

Wir sind eine recht demokratische Band. Als wir die Band aufgleisten, habe ich gehofft, dass sich ein Bandleader herauskristallisieren wird, weil ich mir sicher war, dass dies bestimmt nicht ich sein werde. Dafür fehlt mir einfach die ganze musikalische Erfahrung, ich bin live noch nicht so oft mit einer Band unterwegs gewesen. Aber wir sind bei Proben irgendwann so herumgesessen und da habe ich schon hier und da einen Vorschlag gemacht, der schliesslich umgesetzt wurde (lacht).

 

Nemo - «Ke Bock»

 

* Nemo ist im Sommer noch auf ein paar Festivals zu sehen. Darunter Lumnezia, Heitere, Stars in Town oder beim Sziget in Budapset. Alle Termine und Tickets gibt es auf der Website von Nemo.  

 

Tanja Lipak / Di, 25. Jul 2017