Tunng - eine Indie-Perle im Viadukt

Konzertkritik: Tunng im Bogen F im Viadukt
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Facebook: Tunng

Glücklicherweise lockt das herbstliche Wetter wieder etwas mehr Publikum in die Musikclubs. So kam es, dass sogar an einem Donnerstag Abend der Bogen F im Viadukt in Zürich recht gut gefüllt war, als die Vorband PINKUNOIZU aus Dänemark leicht verspätet auf die Bühne trat.

 

In den Grundzügen recht spannend

 

Als Überbegriff für den Sound, den PINKUNOIZU fabrizieren, kann man wohl am ehesten Krautrock nennen. Tatsächlich wird ihre Musik aber von vielen verschiedenen Stilen getragen wie etwa Folk, Prog Rock, World, Folk, Elektro, Jazz und Psychedelia. Und ja, man kann es fabrizieren nennen, denn was man da auf der Bühne zu sehen und hören bekam, hatte mit Musik machen oder Instrumente spielen wenig gemeinsam. Schon im ersten Moment fiel auf, dass die vier Musiker auf der Bühne genau so wenig zusammenpassten wie die Buchstaben in ihrem japanischen Bandnamen oder wie die Klangwelten, die sie im halbstündigen Set durch das Steingewölbe im Bogen F schleuderten. Nur gerade 4 Songs spielten sie in dieser Zeit und stellenweise kam man sich im Publikum vor wie ein stiller Teilnehmer eines düsteren Experiments einer Kunsthochschule. 

 

Beschreiben lässt sich ihren Auftritt recht einfach: Sie berieselten das Publikum mit sphärischen, dunklen und schier unendlich langen Instrumentalparts, die sich schleichend in schnellere Rhythmen verwandelten, um dann schliesslich wild auszubrechen, entweder in Gitarrengewitter oder hysterische Schreie der Sängerin. Die Klangteppiche, die sie erzeugten, waren eigentlich in den Grundzügen recht spannend, wurden aber durch viel zu lange Repetition doch irgendwann langweilig. Ausserdem fand keinerlei Interaktion mit dem Publikum statt. Nicht einmal eines Blickes wurden die Zuhörer gewürdigt und mit der Zeit kam man sich dann auch etwas überflüssig vor. Äusserst spannend anzusehen war jedoch die Sängerin und gleichzeitige Schlagzeugerin, die hinter ihren Drums nervös und stechend hervorlugte wie eine Wildkatze auf Beutezug, jederzeit bereit für den Todessprung. Leider alles in allem ein etwas missglückter Einstieg in den Konzertabend, der mit Tunng eigentlich eine optimistische und zugängliche Band versprach.

 

Eigenartig und schrullig

 

So war es dann auch nicht unbedingt bedauerlich, dass nach einer halben Stunde bereits für Tunng umgebaut wurde. Tunng bezeichnen sich selber als Sci-Fi-Prog-Folk-Band aus London, Suffolk und Island. Klingt eigenartig und schrullig, und genau so sind sie auch. Ursprünglich war noch Gründungsmitglied Sam Genders (seither mit Diagrams erfolgreich unterwegs) als Frontmann mit dabei. Dass er der Band fehlt, merkte man an diesem Abend deutlich, aber dazu später mehr.

Etwas zögerlich legte die Band mit ihrem Set los. Da sie seit der Entstehung 2004 recht produktiv waren und gerade diesen Sommer ihr neustes Album Turbines herausgebracht haben, hatten sie auch einiges an Material im Schlepptau. Mit ihrem verspielten und optimistischen Indiefolk kamen die Engländer bei den Zürchern gut an. Das Publikum war in bester Stimmung und nahm die Musik enthusiastisch dankbar auf. Die Band jedoch hielt sich recht lange zurück, agierte wenig mit dem Publikum und spielte zu Beginn kommentarlos einen Song nach dem anderen. Es schien, dass sie erst gegen Ende des Konzertes richtig auftauten und das, obwohl das Publikum die Band wirklich durchwegs offen und herzlich empfing.

 

Grundsätzlich war es ein gutes, unterhaltsames Konzert, das Spass machte. Man ertappte sich bald dabei, dass man zu den stampfenden Rhythmen genüsslich mitwippte. Und doch gab es zwei, drei Kleinigkeiten, die die Gesamtfreude am Konzert etwas trübten.

 

Weniger wäre wahrscheinlich mehr gewesen

 

Tunng bauen ihre Songs stets nach einem ähnlichen Schema auf. Dieses Schema beinhaltet unter anderem, dass sie meistens zu zweit oder dritt gemeinsam dieselbe Leadstimme singen. Der Gesang ist auf den Studioaufnahmen sehr dezent und ruhig abgemischt, jede Stimme kommt zur Geltung, den Instrumenten wird viel Raum gelassen. Die feinen, spielerischen Gitarrenmelodien stehen im Vordergrund, die schrullige und sanfte Geräuschkulisse der Perkussionsinstrumente geht direkt ins Herz. Ihre Songs leben von diesen Feinheiten und liebevoll eingebauten, wunderlichen Klangeffekten. Wenn man diese Musik nun live auf die Bühne packen will, steht man da unweigerlich vor Problemen. So kam es dann auch, dass die Stimmen neben den vielfältig eingebauten Instrumenten und Samples ab Band beinahe untergingen. Hier wäre weniger wahrscheinlich mehr gewesen. Ausserdem hatten sie wohl auch nicht ihre übliche Sängerin Becky Jacobs dabei, sondern eine Ersatzsängerin, die ihre Sache aber ziemlich gut machte. Hier hätte man sich gewünscht, dass doch die einzelnen Sänger etwas mehr alleine hätten singen können, vielleicht hätte das die Eintönigkeit im Gesang etwas aufgebrochen.

 

Musikalisches Potential dazu hätten sie

 

Was ebenfalls etwas seltsam anmutete, war, dass der Band eine klare Front-Figur fehlte, ein Bandleader. Jeder der Musiker hielt sich sehr zurück, sogar Gründungsmitglied Mike Lindsay, blieben im Hintergrund und es gab kaum Zwischenansagen. Dieses dezente Verhalten strahlte eine zu grosse Zurückhaltung aus. Deshalb der Kommentar zu Beginn des Beitrags, dass der Verlust von Sam Genders als Frontmann wohl noch immer spürbar ist. Eine antreibende Persönlichkeit, die etwas mehr Leben und Extraversion in die Band bringen würde, das fehlte Tunng eindeutig. Denn trotz des absolut freundlichen und enthusiastischen Publikums schaffte es die Band nicht, die Stimmung wirklich zum Brodeln zu bringen – und das musikalische Potential dazu hätten sie ganz bestimmt.

 

Was jetzt alles etwas sehr negativ klingt, waren schlussendlich eigentlich Kleinigkeiten. Grundsätzlich war es ein Konzert, welches man mit einem Lächeln im Gesicht verliess, ein Konzert, bei dem man Tanzen konnte und einiges an guter Musik zu hören bekam. Tunng machen Musik, die Freude bereitet und sehr zugänglich ist und sie werden mit ihrer positiven Art wohl noch viele Leute begeistern.

Natascha Evers / Fr, 04. Okt 2013