Rauchig, stickig, aber gut

Konzertkritik: Gisbert zu Knyphausen im Exil
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«Ausverkauft! Unglaublich, es ist wirklich ausverkauft», flüstert eine enttäuschte junge Frau, während sie links der Warteschlange an uns vorbeigeht und über die Tramschienen in die milde Nacht entschwindet. Sie ist nicht die einzige, die kein Ticket ergattern konnte, denn der galante deutsche Barde und Songwriter Gisbert zu Knyphausen ist offenbar längst kein Geheimtipp mehr. 

 

Schon beim Betreten des Exils wird man von einer unübersichtlichen Menschenmenge in Empfang genommen. Die Luft wirkt schon vor Konzertbeginn, als könne man sie mit einem scharfen Messer problemlos in carpacciodünne Scheiben schneiden, Körper drängen sich in Richtung Bar, um vor der Show den Flüssigkeitshaushalt auszugleichen, denn es ist sehr heiss im Exil. Gelegentlich dringen flüchtige Rauchschwaden durch die Luft, wenn jemand das Fumoir verlässt, und das Geraune im Raum wird wieder ungeduldiger. Aber müssen kleine Clubkonzerte nicht per Definition eng, heiss, stickig, mit ungewollten Körperberührungen verbunden und schlicht eine körperliche Erfahrung sein?

 

Licht aus! Spot an! Und schon steht Gisbert zu Knyphausen auf der Bühne, begleitet von seiner Band. Schon nach wenigen Sekunden hat er das Publikum auf seiner Seite. Es besteht zu grossen Teilen aus Frauen, die an seinen Lippen hängen und schüchtern im Takt wippen. Woran es genau liegt, dass zu Knyphausen so eine grosse Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht hat, konnte auch meine Begleitung nicht ausreichend erklären. Wahrscheinlich liegt es an der Mischung aus melancholischen und tiefgründigen Texten und seiner feinfühligen Musik. «Oder weil Musiker bei Frauen eh leichteres Spiel haben“, schliesst sie das Thema. 

 

Verstehen kann man es ja, Gisbert zu Knyphausen ist von Beginn weg eloquent in seinen Ansagen und sattelfest in seiner gesanglichen Interpretation. Er singt von der Liebe und damit verbundenen Konflikten, reflektiert das Problem mit dem Krieg im Kopf, berichtet in seinen Texten geschickt von Anrufbeantworter-Texten und von Fern- beziehungsweise Heimweh, aber auch von «Morschem Holz“. Hin und wieder verbindet er seine Stücke mit kleinen, wohl fiktiven Anekdoten und berichtet zum Beispiel von einem Mann, der seine Freundin betrogen hat und in der Folge nach Thun gezogen ist. Nun muss man dazu wissen, dass Gisbert am Abend zuvor in Thun gespielt hat und so dem schweizweit bekannten Mokka eine kleine Referenz erweist. 

 

Hinter Gisbert steht eine wunderbare Band, welche die Grundnote seiner Musik, die Songwriter-Tradition, als wichtigstes Element ihres Spiels begreift, sich aber durchaus in anderen Genres auskennt. So tauchen gerade in leisen Passagen gelegentlich Anleihen aus dem Jazz auf und auch vor Rock oder sanftem Punk machen sie nicht Halt. Gisbert selbst erklärt in Interviews gerne, dass er Auftritte mit der Band liebe. Im Exil sieht man wieder einmal gut, wieso das so ist. Der Band steht der Spass ins Gesicht geschrieben und Gisbert strahlt eine ehrliche Freude aus, die sich direkt auf das Publikum überträgt. Das Exil ist voller Menschen und stickiger Luft, aber für Gisbert zu Knyphausen nimmt man das gern in Kauf, denn der ist auch in Zürich sehr nahbar und einfach gut.

 

 

Gisbert zu Knyphausen hat sich vor dem Konzert Zeit für ein Interview mit bäckstge genommen. Hier könnt ihr es lesen. 

Patrick Holenstein / So, 18. Mär 2012