Music when the Mic goes out

Im April 2024 brachten die Libertines ihr 4tes Studioalbum mit dem Titel «All Quiet on the Eastern Esplanade» heraus. Nun touren sie damit in Europa und machten im Zürcher Volkshaus Halt. Zur Unterstützung holten sie sich gar zwei Supporting Acts: Fitztroy Holt und The Broken Beats. Letztere, eine Indie-Rock-Band aus Dänemark, kam zum Zürich Gig durch Libertines Bassist John Hassall, der in Dänemark lebt.
Um 21 Uhr sollten die Libertines ihr Konzert beginnen, doch es kam zu Verzögerungen. Das ungeduldige Publikum machte sich lauthals bemerkbar, konnte schliesslich aber besänftigt werden als die Band die Bühne betrat. Das Bühnenbild zeigte die Band wie sie vor ihrem Hotel/Aufnahmestudio «The Albion Rooms» steht, indem eine Fotografie der besagen Location als grosses Hintergrundbild verwendet wurde. Ähnliches Marketing Investment konnte man am Merch Stand beobachten, wo verschiedene Shirts, ein Hoodie mit dem Wort «Libertine» in Carl Barâts Handschrift und etliche andere Utisilien angeboten wurden. Diese neue Business-Seite der Band wird auch von ihrem Insta Channel bestätigt, wo sich die beiden Frontmänner Peter Doherty und Carl Barât vor dem Konzert entspannt lesend abfotografiert zeigten.
Entspannt könnte man auch die neuen Songs bezeichnen. Während die Erstauskopplung «Run, Run, Run» den Indie-Rock-Wurzeln der Band huldigt, zeigen Songs wie «Man with the Melodie», «Shriver», «Songs they never play on the Radio», «Merry Old England» oder «Mustangs» - alles auch Songs, welche die Band im Zürcher Volkshaus spielte - eine neue, mehr maintreamige Seite der Band. Umso älter schien dann auch das Publikum im Zürcher Volkshaus, jedenfalls im Vergleich zum Konzert vor ein paar Jahre im Xtra. Die Band scheint an einem Wendepunkt angelangt zu sein. Wo früher Drogenexzesse zur Norm gehörten, wird nun Meditation und Yoga vor und nach dem Konzert praktiziert. Entspannungsübungen, welche beim Zürcher Konzert dringend notwendig wurden, als mitten im ersten Drittel des Konzertes die Mikrophone ausstiegen. Während die Band sich selber hören konnte, wurde es fürs Publikum plötzlich zu einer rein instrumentellen Show. Dank lauten Rufen und Handbewegungen erkannten die Bandmitglieder was ablief und unterbrachen ihr Konzert bis die Verantwortlichen «get this shit back together», wie Schlagzeuger Gary Powell dem Publikum zurief. Um die Wartezeit zu verkürzen, begannen Peter und Carl mit ihren Gitarren zu jammen, während Gary zielstrebig Mic-Tests machte. Als nach ungefähr 10-15 Minuten die Probleme gelöst waren, wurde das Konzert fortgesetzt.
Der Wendepunkt im Stil der Band zeigte sich am Konzert im Volkshaus auch durch die unterschiedlichen Reaktionen des mittlerweile sehr diversen Publikums: Während die Indie-Rock-/Punkliebhaber:innen der Band fröhlich im Pogo-Tanz aufgingen, störte sich das etwas ältere, elitärere (Volkshaus?) Publikum deutlich daran. Oder es lang am Valentinstags und den dazugehörigen Paaren, die einen romantischen Konzertabend zusammen verbringen wollten. So oder so: The Libertines verbinden durch ihre 4 Alben ein mittlerweile sehr heterogenes Publikum. Diese Neuorientierung zeigt sich aber auch vorne auf der Bühne, wo neu drei Mikrofone stehen, da Bassist John Gesangsparts übernimmt und Schlagzeuger Gary mal hinter dem Piano steht und mitsingt.
Veränderungen brauchen Zeit. Das Konzert im Zürcher Volkshaus wird deshalb leider als eines der weniger guten in Erinnerung bleiben, aufgrund der Verspätung zu Beginn, der technischen Pannen, aber auch des Publikums, welches zwei ganz unterschiedliche Bands erwartete. Zum Glück meisterten die Libertines ihren Spagat zwischen neuen und alten Songs einwandfrei.
Die Libertines haben das Beste aus dem Abend gemacht. Es bleibt zu hoffen, dass die technischen Pannen sich im Volkshaus nicht wiederholen und das Publikum - neu und alt - in Zukunft mehr Offenheit zeigen wird.