Immer so weiter: Element of Crime in Zürich

Konzertkritik: Element of Crime
Bildquelle: 
www.element-of-crime.de

Eine legendäre Band…

 

Wenn die Wahrheit dem Sinn die Hand reicht und mit der alten Socke ein verspieltes Tänzchen hinlegt, dann ist es gut möglich, dass man gerade einen Song von Element of Crime hört. Für manche ist die Band nur noch der langsam erkaltende heisse Scheiss von gestern, für andere nach wie vor das Höchste der Gefühle in Sachen deutschsprachiger Rock. Und dass letzterer ohne EoC nicht der wäre, der er heute ist, das ist ohnehin allen klar. Naheliegend, dass eine Band, die auf eine dreissigjährige Geschichte zurückblicken kann, nicht nur nach Zürich kommt, um ihr neues Album «Lieblingsfarben und Tiere» vorzustellen, sondern auch, um ein wenig sich selber zu feiern und dem nostalgiesüchtigen Publikum das zu gegeben, wonach es gierig verlangte: Element of Crime in hochkonzentrierter Dosis, Musik wie ein Glas ausgezeichneten Whiskeys, von dem man noch nie enttäuscht war. «Wo wir gerade bei den Hits sind, spielen wir gleich noch einen», meinte Frontmann Sven Regener am vergangenen Donnerstag nach «Strassenbahn des Todes» und gab die ersten Akkorde von «Delmenhorst» zum Besten.

 

…begeistert ihr treuen Fans. Und alle anderen auch.

 

Das mit den Hits funktionierte natürlich ganz prächtig. Das Publikum, dessen Durchschnittsalter irgendwo um ein halbes Jahrhundert herum lag, schwelgte, trällerte mit, johlte, pfiff und applaudierte ausgelassen. Nach Rockkonzert sah das freilich trotzdem nicht aus. Eher nach einem Klassentreffen, bei dem die alte Schulband noch einmal aufspielt. Die wenigen Anwesenden, die dem Schulalter noch nicht seit mindestens zwanzig Jahren entwachsen waren, kamen sich folglich ein bisschen fehl am Platz vor. Aber der Stimmung schadete das keineswegs und man ist ja ausserdem unbedingt für die Begegnung der Generationen. Die meisten Zuhörer hätten also, zumindest altersmässig, Fans der ersten Stunde sein können. Nach dreissig Jahren kann man dann wohl nicht nur die Diskographie der Band auswendig, sondern hat auch sämtliche Texte mindestens so gut im Kopf wie ihr Schöpfer Regener selbst.

 

Herbsüsse Sprachgewalt

 

Und was kann es Schöneres geben, als diese Texte mitzusingen, die in der Poplandschaft ihresgleichen suchen und nicht finden werden. Nirgendwo werden die Banalitäten des Alltags so wunderbar auf den Punkt gebracht, ironisiert, ins Absurde verdreht und dann doch mit einer Art versöhnlichen Liebe zum Leben, wie es nun mal ist, übergossen, sodass alles plötzlich viel geniessbarer, ja sogar irgendwie doch schön erscheint, wie bei Element of Crime. Liebe ist zwar kälter als der Tod und die Glückspillen bringen auch nichts, warum man überhaupt aufsteht und sogar noch aufs Klo geht, weiss kein Mensch, nach hundert Folgen sind alle Abenteuer fad und dann ist da noch das Schweinesystem, das scharf auf nüchterne Lohnsklaven ist. Aber trotzdem freut man sich, dass man noch lebt, dass man sich im Baumarkt wiedersieht, gleich Getränke Hoffmann kommt und man immer noch im Gartencafé jammern und picheln kann. Dass so viel herzerwärmende Lebenslust und zarte Melancholie, gepaart mit schmissigem Sound und Regeners seufzender Trompete eigentlich nicht in die schwarzgraue Einöde der riesigen Maag Music Hall passten und dass ein paar Witzbolde, die «die Balladen immer ein bisschen schwierig» fanden, am Ende nicht immer nur an dich, sondern immer nur an Bier dachten und das lautstark verkündeten, das galt es dann auszublenden.

 

Irgendwie ist doch alles in Ordnung

 

Belohnt wurde man allemal. EoC nämlich waren bester Laune, spielten mit viel Energie (drei Zugaben in ihrem Alter muss man als Zuschauer unbedingt zu schätzen wissen) und Sven Regener, von dem wir auch anderes kennen, war durchaus zu Spässen aufgelegt. Fröhlich plauderte er aus dem Nähkästchen und erklärte, warum man nach dreissig Jahren immer noch weiter mache. Wenn sie nämlich nicht weitermachen würde, gäbe es ja die Band nicht mehr. Und solange es Element of Crime gibt, ist eben doch alles irgendwie noch in Ordnung. Für die Bandmitglieder zumindest. Und für uns irgendwie auch. Warum man überhaupt aufsteht und dann noch aufs Klo geht, das weiss man nach einem Konzert dieser Band eben doch wieder ein bisschen besser. 

Jasmin Camenzind / So, 22. Feb 2015