Viel Regen und ein Hauch Normalität

Festivalkritik: Sound of Glarus 2021
Bildquelle: 
Bäckstage / © Sandra Rohrer

Das Gefühl, wieder frei an einem grossem Festival zu sein, war am Sound of Glarus wirklich schön. Aber trotz des Covid-Zertifikats fühlte es sich ungewohnt an, mitten im Glarner Publikum bei den Massen zu stehen. Frei sein, dieses Gefühl kann einem nur die Musik bieten, wieder einmal vor einer Bühne zu stehen, ohne Maske in einer Crowd. Frei und ohne Abstand in einem Pulk von Menschen. Genau dieses Gefühl hat Sounds of Glarus vermittelt. Als ob - wie vor Corona - alles normal wäre.

 

Genug davon. Gestartet wurde das Festival am Freitag um 18.00 Uhr mit Ruined. Die Band besteht aus vier Jungs, die aus vier unterschiedlichen Kantonen kommen. Zug, Glarus, Bern und Fribourg. Ein interessanter Mix, der sich durchaus auf der Stage widerspiegelte. Die Band präsentiere sich ziemlich rockig und setzte einen guten Startschuss. Sie zeigten einen engagierten Gig, auch wenn das Publikum erst langsam auf dem Zaunplatz eintrudelte.

 

Der nächste Act auf der Hauptbühne war Josh, ein sehr sympathischer Singer/Songwriter aus Österreich. Er freue sich sehr, wieder einmal auf der Bühne zu spielen, erklärte der «Cordula Grün»-Sänger. Für Josh war es sogar Schweizer Premiere. Im Rücken hatte er eine ganze Band, die gemeinsam mit Josh ein überraschend tolles Set spielte. Bedenkt man den Bekanntheitsgrad seiner Hitsingle, erstaunt es nicht, dass Josh den frühen Abend auf der Hauptbühne eröffnen konnte. Wenn auch manche wohl eher den Hit als den Namen Josh kannten.

 

Mundart-Synthie-Pop und Tim Bendzko

 

Mit Zid aus Zürich übernahm ein Mundartmusiker auf der kleinen Bühne. Durch seine Support Gigs für Bligg in einer Zeit, als Corona noch nur ein Bier war, hat Zid sich doch einen Namen ersungen. Zid meinte beim Konzert, dass der Soundcheck schon sehr dürftig gewesen sei. Davon war allerdings wenig zu spüren und er hat ein euphorisches Set gespielt. Er legte einen bestechenden Mix aus Songwritersound und Mundart-Synthie-Pop auf die Bretter und sorgte für Stimmung. Jedenfalls war es bei seinem Konzert voll und vor der Bühne kein Durchkommen mehr. Wunderbar war, dass Zid eine brutale Spielfreude zeigte und man ihm förmlich ansah, wie happy er war, wieder auf der Bühne zu stehen.

 

Headliner des Abends war Tim Benzko. Leider vermochte er nicht die Welt zu retten, wie er so schön singt. Sein Gesang war flach, seine Performance wirkte eher wie ein Muss als ein Wollen. Das merkten auch einige Zuschauer und verliessen vorzeitig den Platz. Irgendwie wollte der Funke nicht springen, aber das Licht war in seinem Fall auch eher schlecht, was den Gesamteindruck etwas täuschen könnte. Vielleicht hatte er auch nur einen Schlechten Tag oder es lag am Wetter. Das kann passieren.


Fotos: Bäckstage / ©Sandra Rohrer (sandrarohrerphotography.com)

 

War der Freitag noch einigermassen trocken, zeigte sich der Samstag eiskalt: Es goss wie aus Kübeln. Aber irgendwer weiter oben muss ein Fan von Candy Dulfer sein, denn etwa 15 Minuten bevor die niederländische Saxophonistin die Bühne betrat, stoppte der Regen. Sehr pünktlich stand sie um 19:15 Uhr vor den Zuschauern. Candy zeigte sich sehr sympathisch, versuchte mit charmantem niederländisch-deutschen Akzent einiges über ihre Songs zu erzählen. Candy Dulfer sollte bereits im letzten Jahr zusammen mit Joss Stone in der Schweiz spielen, aber Corona zeigte sich mehrfach als Spielverderber. Deshalb war der Gig am Sounds of Glarus ein guter Trost für Fans, die solange warten mussten. Der Platz vor der Bühne präsentierte sich entsprechend voll. Man hatte fast keinen Platz mehr. Candy spielte einige neue Songs, aber auch altbewährte Stücke wie «Lily Was Here» und Covers. Es war eine beeindruckende Show, in der Candy mit viel Bühnenpräsenz glänzte und immer wieder mit ihrem niederländischen Charme punktete, dem man als Schweizer wohl immer wieder erliegt. Leider hielt auch hier das Wetter nicht und so waren Food-Stände und das trockene Gaudi-Zelt sehr begehrt.

 

Bei Joss Stone, die den Headliner-Job inne hatte, war es zumindest bei den ersten drei Songs fast trocken. Sie kam gut gelaunt wie eigentlich immer und in einem sehr schönem Sommerkleid auf die Bühne. Eigentlich war es deutlich zu kalt für dieses Kleid, aber es gab ja einen Heizlüfter, der schon bei Candy auf der Bühne stand. Praktisch. Die Band von Joss war eine völlig andere, als sie sonst auf Tour dabei hat. Bassist, Gitarrist und Drummer sind wegen Corona durch andere Leute ersetzt worden. Nur der Keyboarder ist auch Teil ihrer sonst bekannten Band. Aber sie haben einen hervorragenden Job gemacht.

 

Joss Stone lachte viel und verteilte Sonnenblumen

 

Joss ist in der Corona-Zeit Mami geworden. Ihr Mann und das süsse Mädchen waren in Glarus dabei, aber wahrscheinlich bereits im Bett, jedenfalls die Kleine. Glarus war das dritte Konzert von Joss und sie meinte, es sei so schön wieder auf der Bühne zu stehen. Dies unterstrich sie, indem sie währen der Show von der Bühne stieg und mit dem Kleid auf eine nasse Box sass. Da lachte sie nur und meinte: «Oh, Mist, jetzt hab ich wohl denn ganzen Auftritt lang einen nassen Po.» Ihr war es aber egal. Im strömenden Regen und Barfuss wie immer tänzelte sie bei der Absperrung rum und genoss das Bad in der Menge sichtlich. Sympathisch. So weit ins Publikum ist sie schon länger nicht mehr spaziert. Nach kurzer Zeit war sie offensichtlich klatschnass.

 

Als Highlight und Überraschung mit Ankündigung, da die beiden aktuell eh gemeinsam unterwegs sind, gesellte sich Candy für ein paar songs zu Joss auf die Bühne. Es war schön, die beiden Musikerinnen auf der Bühne zu sehen. Da leuchteten sofort ein paar Handys im Glarner Regen.

Die Laune von Joss Stone spiegelte sich auch im Auftreten auf der Bühne. Einmal hatte sie wegen zwei Jungs so einen heftigen Lachanfall, dass sie den Song nicht mehr starten konnte und von der Bühne wegging, um neu zu beginnen. Die zwei Jungs kassierten dann von ihr eine Grimasse und sie dafür Gelächter vom Publikum. Joss war toll, charmant und spielfreudig. Nach zwei Stunden beendete sie den Gig mit der schon fast traditionellen Verteilung der Sonnenblumen, die sie ins Publikum warf. Den Menschen im Publikum war es egal.

 

Danach war für viele Schluss, weil es war einfach zu kalt und zu nass war. Angenehm war der Hauch von Normalität trotzdem.

 

Sandra Rohrer / Do, 02. Sep 2021