Sympathische Schönwetterbanditen

Moviekritik: El robo del siglo
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Fernando lebt in Buenos Aires, ist Künstler, aber ohne finanzielle Sicherheit. In seinem Selbstverständnis sieht er sich als Kämpfer für das Gute, gegen soziale Ungerechtigkeit und für Kultur. Stilsicher trägt er einen Joint im Mundwinkel, das hält ihn laut eigener Aussage fokussiert, und erzählt jedem, der es hören will, von der Balance der Welt. Eines verregneten Abends fällt ihm ein Joint in den Strassengraben und wird in die Kanalisation gespült. Direkt vor der Banc del Rio. In jender Sekunde zündet in ihm die Idee, die Bank auszurauben und zwar über das Abwassersystem. Also scharrt er eine kunterbunte Truppe um sich, die den Coup im Do it yourself-Prinzip akribisch plant. Man will durch das Abwassersystem in die Bank eindringen und die Millionen quasi ganz easy abholen. Doch wie löst man das Problem von Hochwasser im Abwasserkanal? Fernando weiss es: Man arbeitet nur bei schönem Wetter. Für weitere Schwierigkeiten braucht es ebenfalls einen ziemlichen Topf Kreativität. Kann das Unterfangen funktionieren?

 

Dauerkiffender Künstler vs. Gentleman-Gauner

 

Ob der Coup gelingt oder nicht, spielt für den Filmspass im Grunde eine zweitrangige Rolle. Natürlich fiebert man schnell mit den sympathisch gezeichneten Figuren mit und amüsiert sich über manche Diskussion zum Raub. Viel spannender ist aber, die Männer beim Werkeln und Planen, beim Streiten und Finden von unkonventionellen Lösungen zu beobachten. Mehrfach denkt man sich «Oha, wenn das mal gut geht». So greift das überstrapazierte Sprichwort «Der Weg ist das Ziel» hier schnell, denn die Menschen werden wichtiger, der Plan rückt in der subjektiven Wahrnehmung in den Hintergrund. Besonders Fernando und Mario sind sich oft uneinig. Da ist der junge, dauerkiffende Künstler, der Kopf der Bande. Ihm gegenüber der schon etwas ältere, lebensweise Gentleman-Gauner – beide mit schlicht komplett anderen Lebensentwürfe und trotzdem werden sie sich ein ums andere Mal einig. Es ist äusserst charmant, zu sehen wie sich nicht nur Fernando und Mario, sondern die ganze Bande immer enger zusammenschweisst. Die beiden argentinischen Stars Diego Peretti als Fernando und Guillermo Francella als Mario spielen die glaubwürdigen Figuren mit Leichtigkeit und dadurch mühelos in die Gunst des Publikums. Es menschelt durch das Duo so richtig schön im Film. Und wenn die Schönwettergauner einer Oma, die sie beim Raub als Geisel halten, zum Geburtstag ein Ständchen singen, sind die Sympathien endgültig vergeben. 

 

Die Geschichte spielt 2006 und basiert auf einer wahren Geschichte, nimmt sich allerdings dramaturgische Freiheiten. Jedoch wird die Authentizität der Geschichte im Abspann mit realen Nachrichtenschnipseln unterstrichen. Regisseur Ariel Winograd baut den Film als Mosaik auf, das mit Rückblenden spielt und immer wieder Hintergründe erklärt oder witzige Pläne und Pannen dokumentiert. Gefilmt ist die Geschichte auf sehr hohem Niveau in klaren und durchdachten Bildern. Das Herzstück ist dabei natürlich der Raub, bei dem via Parallelmontagen immer wieder gezeigt wird, was – so viel sei verraten – an den drei zentralen Handlungsschauplätzen passiert. Der Takt ist dabei so clever aufgebaut, dass man richtig in die Story gezogen wird.

 

Frank Sinatra als Referenz

 

Wenn im letzten Viertel des Films Frank Sinatra zu singen beginnt, wird dem offensichtlichen Vorbild «Ocean’s Eleven» von 1960 - oder dem gleichnamigen Remake von Steven Soderbergh - auf der Tonspur eine wunderbare Referenz geschenkt. «El robo del siglo» orientiert sich stellenweise deutlich am grossen Vorbild, macht aber nie den Fehler, dieses zu kopieren, sondern nutzt manche erzählerische Finesse der Ocean-Gang, um die eigene Geschichte voranzutreiben. So wird «El robo del siglo» zum diebischen Vergnügen.

 


Eine Gaunertruppe mit sehr viel Herz. «El robo del siglo» pendelt zwischen Buddy- und Heist-Movie. Dabei macht er ziemlich alles richtig.

 

  • El robo del siglo (Argentinien, 2020)
  • Regie: Ariel Winograd
  • Drehbuch: Alex Zito, Fernando Araujo
  • Besetzung: Guillermo Francella, Luis Mario Vitette Sellanes, , Diego Peretti, Fernando Araujo, Luis Luque, Miguel Sileo
  • Laufzeit: 114 Minuten
  • Kinostart: 10. Dezember 2020

 

Bäckstage Redaktion / Di, 08. Dez 2020