The Devil wears Stradivari

Moviekritk: Der Teufelsgeiger
Bildquelle: 
Frenetic Films

«Ich lebe durch meine Musik. Alles was ich fühle, was ich bin, was ich sein will, ist meine Musik», sagt Paganini, oder ist es doch Garrett? In diesen paar Sekunden verschmelzen beide zu einer Person. Der Blick ist teuflisch und glühend - Niccolò Paganini. Über die Lippen huscht ein kindliches Lächeln und der Blick senkt sich schüchtern - David Garrett. Doch dann flackert Paganini wieder auf und fixiert sein Gegenüber. 

 

Der italienische Geiger Niccolò Paganini (David Garrett in seiner ersten Hauptrolle) ist talentiert, bekommt allerdings von seinem Publikum nicht die verdiente Anerkennung, weil es nicht weiss, was es mit den gewagten und neuartigen Kompositionen des Geigers anfangen soll. Dies ändert sich schlagartig, als Urbani (Jared Harris, «Der seltsame Fall des Benjamin Button», «Lincoln») in Paganinis Leben tritt. Urbani wird sein Manager. Er treibt Paganini immer weiter an, obwohl dieser gesundheitlich angeschlagen ist. Urbani lässt den Musiker immer wieder gegen die Wand laufen, bis dieser in seiner Spiel- und Trinksucht gar seine Geige verspielt. Immer weiter, immer schneller. Mailand, Wien, Paris und dann zuletzt noch London. Paganinis Imperium soll grösser als Napoleons werden.

 

 

Der Mythos des Geigers, der einen Pakt mit dem Teufel haben muss -  wie sonst ist ein Mensch in der Lage so schnell zu spielen und seinem Instrument solche Klänge zu entlocken? - erreicht schliesslich John Watson (Christian McKay, «Dame, König, As, Spion», «Borgia) und dessen Geliebte Elisabeth Wells (Veronica Ferres, «Katharina die Grosse» und «Rubinrot»). Nach langem hin und her und Verpfändung von Watsons Hab und Gut, zerrt Urbani Paganini schliesslich nach London. Das Empfangskomitee ist alles andere als rosig. Zum einen ist da die gerissene Journalistin Ethel Langham (Joely Richardson, «Der Patriot», «Verblendung»), zum anderen die feministisch angehauchte Aktivistin Primrose Blackstone (Olivia D’Abo, «Wayne’s World 2», «Tödliche Formel»). Beide wollen Paganinis Sturz, wobei eine seinem Charme nicht gänzlich zu widerstehen vermag. Der Frauenheld und sein Manager werden schliesslich bei Watson untergebracht. Woran vor allem Paganini Gefallen findet, zumal Watsons Tochter Charlotte (Newcomerin Andrea Deck, bisher mit kleineren Rollen in «Les Misérables» und im Kurzfilm «In love with a nun») unter dem selben Dach lebt. Eine bittersüsse Liebe beginnt. 

 

 

Den Überlieferungen zu Folge formte sich der Mythos um Niccolò Paganini nicht nur wegen seines äusseren Erscheinungsbilds - Paganini pfiff auf Konventionen, trug Kleider, die nicht en vogue waren, am liebsten schwarze - sondern auch wegen der Art, wie er auftrat. Er spielte unglaublich schnell und mit voller Leidenschaft - schon fast ungesittet. Sein Körper war Teil seines Instrumentes, wippte hin und her, was ihm womöglich etwas Manisches oder gar Teuflisches gab. Er unterschied sich zudem technisch von seinen Zeitgenossen. Unter anderem nutzte er dünnere Saiten für seine Geige als üblich war. Der erste Rockstar der Musikszene nutze auch seine Körperhaltung, um Spiel und Bühnenpräsenz zu beeinflussen. Die Geige klemmte er ohne Kinnhalter zwischen seine Schulter und dem Kinn. Zudem neigte er diese nach unten, was ihm eine entspannte Haltung sowie grössere Bewegungsfreiheit ermöglichte. Star-Geiger David Garrett lässt dies alles in sein Schauspiel in Bernhard Roses («Candymans Fluch», «Mr. Nice») «Der Teufelsgeiger» einfliessen. Wenn er musiziert, ist seine Mimik am ausdrucksstärksten. Seine Züge sind voller Verzückung und Leidenschaft. Er wippt seinen Oberkörper hin und her, lässt das offene Haar in alle Richtungen tanzen. Etwas Wildes, etwas Verruchtes. Garrett ist eins mit seinem Instrument und kreiert so eine einnehmende Aura um sich. Verführerisch wie der Teufel selbst?

 

Der Weg vom Musiker zum Schauspieler ist ein schmaler Grad. Ein begabter Musiker trägt nicht immer einen geborenen Schauspieler in sich. Wer sich zu weit aus dem Fenster lehnt, droht abzustürzen. «Ich bin kein ausgebildeter Schauspieler, deshalb musste es eine Geschichte sein, die ein Stück weit Parallelen zu meinem Leben hat“, so David Garrett, der selbst ein enormes musikalisches Repertoire aufweisen kann und wie Paganini Höhen und Tiefen in der Karriere erlebt hat. Auch gilt er wie der italienische Maestro als Revolutionär, lancierte Crossoverstücke, die die breite Masse ansprach und für klassische Musik wieder empfänglicher machte. Gerade in den ersten Szenen wirkt Garretts Mimik etwas zu stark gekünstelt und als Zuschauer ist man verunsichert. Erleidet Star-Violinist David Garrett in seiner ersten Hauptrolle eine Bruchlandung? Nein, weil sich die Unebenheiten seiner schauspielerischen Leistung, angesichts seiner begnadeten musikalischen Virtuosität, wieder ausgleichen.  

 

 

«Der Teufelsgeiger» geht respektvoll mit Niccolò Paganinis Erbe um. David Garrett weiss seine Person zurückzustellen und den Maestro Paganini würdevoll zu verkörpern. Garretts Präsenz im Film ist allerdings sehr stark, wenn er musiziert. Da verfliegt jegliche Unsicherheit und er gibt sich der Rolle hin. In Kombination mit der Filmmusik, die sehr präsent aber nicht penetrant ist und somit kein Musical kreiert, legt sich ein verführerischer Schleier um die Sinne des Zuschauers und Garrett fängt die Zuschauer mit dem Geist Paganinis ein. Garrett wirkte nicht nur als Hauptdarsteller, er arbeitete bei der Produktion mit und konzipierte zusammen mit Franck van der Heijden, der schon mit Andrea Bocelli, Roxette sowie auch mit Garrett selbst zusammenarbeitete, die Filmmusik. So entstand auch das Album zum Film «Garrett vs Paganini». Die Paganini-Stücke wurden Instrumenten technisch angepasst, da Paganini seiner Zeit wenig Geld zu Verfügung hatte und nicht immer ein optimales Orchester zusammenstellen konnte. 

 

Während 122 Minuten wird das Leben Paganinis als schmaler Grad zwischen Erfolg und Ruin würdevoll portraitiert. Regisseur Bernhard Rose legt in «Der Teufelsgeiger» den Fokus auf seine glorreiche Zeit und der Eroberung Londons. Die Figur des Paganini tritt dabei, ganz der Rockstar, mit dunkler Sonnenbrille und Skandal umwoben auf. Rose zeigt die typische Geschichte eines Genies, das getrieben ist und sich selbst in den Wahnsinn treibt und dessen Durst nach Erfolg ihn blendet und falsche Leute um sich scharrt. Auf jeden Fall ein sehenswerter Film, der sicher vor allem David Garrett Fans begeistern wird. 

 

  • Der Teufelsgeiger (Deutschland, Italien 2013)
  • Regie: Bernhard Rose
  • Darsteller: David Garrett, Jared Harris, Joely Richardson, Veronica Ferres, Andrea Beck
  • Laufzeit: 122 Minuten 
  • Kinostart: 7. November
catarina martins / Mi, 06. Nov 2013