Alternatives «Magic Kingdom»

DVD-Kritik: The Florida Project
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© Impuls Pictures AG

Im Magic Castle-Motel in Florida lebt die sechsjährige Moonee mit ihrer Mutter Halley in sehr armen Verhältnissen. Halley zeigt sich als Mama mit Herz auf der Zunge täglich kreativ, verkauft vor den Luxushotels Parfüms oder schon mal geklaute Eintrittsbänder für Disneyworld, das nur ein paar Gehminuten entfernt liegt. Im Motel achten alle Langzeitbewohner aufeinander. In den Ferien streunen Moonee und ihre Freunde Scooty und Jancey durch die Gegend und machen allerhand Blödsinn, spucken beispielsweise auf Autos oder provozieren absichtlich einen Stromausfall im gesamten Motel. Damit ärgern sie den väterlichen Hausmeister Bobby, der für seine Schützlinge immer Verständnis hat, aber hin und wieder viel Kraft dafür aufwenden muss. Als jedoch sowohl Halley als auch Moonee eine Grenze überschreiten, scheint ihr zerbrechliches Königreich einzustürzen. 

 

Seine Hauptdarstellerin Bria Vinaite hat Regisseur Sean Baker («Tangerine») auf Instagram gefunden. Die junge Frau aus Litauen war für ihn die perfekte Wahl. Zwar sollen erst Namen wie Miley Cyrus oder Britney Spears im Gespräch für die Hauptrolle gewesen sein, aber Baker hielt es für unglaubwürdig, wenn eine Multimillionärin in die Rolle der mausarmen Lebenskünstlerin geschlüpft wäre. Die Besetzung von Bria ist dann nachvollziehbar. Sie spielt die junge Mutter, die ständig dem Geld nachrennt und dabei ihre kleine Prinzessin verwöhnt, wo es geht, mit wunderbarer Attitüde. Allerdings hat sie grosse bzw. kleine Konkurrenz. Brooklynn Prince spielt als Moonee sämtliche Schauspieler an die Wand inklusive Willem Dafoe. Bedenkt man, dass gerade bei den Szenen mit den Kids kaum ein Drehbuch bestand und Sean Baker sie quasi machen lies, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, wird die Authentizität zusätzlich unterstrichen.

 

Nicht zu vergessen ist Willem Dafoe, der als Hausmeister den Laden schmeisst und ein riesengrosses Herz für die Bewohner hat. Egal ob es um Halley und Moonee oder «Banana-Boobs-Gloria» geht. Er ist die gute Seele im Magic Castle, müsste eigentlich viel öfter schimpfen, bringt es aber kaum fertig. Wenn er einen vermeintlich Pädophilen vom Platz jagt, wirkt er wie ein Ritter, der die kleinen Mäuse beschützt. Der Top-Schauspieler nimmt sich stark zurück, agiert im Interesse des Films und wurde dafür mit einer Nominierung als bester Nebendarsteller bei den Oscars® belohnt. 

 

Wenn das Lachen im Hals stecken bleibt

 

Etwas schade an «The Florida Project» ist, dass man wenig Hintergründe zu den Figuren bekommt. So ist der Film eine tiefgehende und berührende Momentaufnahme in einem Teil der untersten sozialen Schicht und will wahrscheinlich auch nicht mehr sein beziehungsweise so wahrscheinlich gelöst von den Figuren universell funktionieren. Er soll die Gegensätze der beiden Welten zeigen, jene des Magic Kindgdom von Disney und jene des «Magic Kingdom», wie es Mutter und Tochter sich aufbauen zeigen (Disneyworld hiess in der Projekt-Phase «The Florida Project», daher der Filmtitel), denn immer mal wieder blitzen Mickeys Ohren wie beiläufig auf. Auf die Spitze getrieben wird dieser Punkt durch ein lateinamerikanisches Ehepaar, dass aus Versehen das falsche Magic Kingdom-Hotel gebucht hat und sich angewidert wieder ins Auto setzt. Das Lachen bleibt einem als Zuschauer einen Moment im Hals stecken.  

 

Trotz aller sozialen Kritik und die ist deutlich, ist «The Florida Project» eine Ode an eine Handvoll Aussenseiter, die in der oft bunten Welt zwischen Pizza Hut und Gift-Shops das Beste aus den vorhandenen Möglichkeiten machen und sich ihre eigene, leicht magische Welt zaubern. Das Drehbuch von Sean Baker und Chris Bergoch setzt zudem auf Menschlichkeit und verzichtet auf Verurteilungen. Die muss man sich als Zuschauer, so man den überhaupt will, selbst basteln oder eben über den Tellerrand hinausblicken. Hier liegt im Kontext das Gold am Ende des Regenbogens, von dem Moonee im Film schwärmt, oder eben die Moral des kleinen Filmjuwels.

 

Kleine Strolche und sich durch das Leben zaubernde Mütter. «The Florida Project» pendelt zwischen herrlich amüsanten und tragisch traurigen Momenten und ist so ein Plädoyer für die Menschlichkeit.   

  • The Florida Project (USA, 20179
  • Regie: Sean Baker
  • Darsteller: Bria Vinaite, Willem Dafoe, Brooklynn Prince, Valeria Cotto
  • Laufzeit:ca. 107 Minuten
  • Im Handel: ab 2. August 2018 

 

Bäckstage Redaktion / Do, 02. Aug 2018