Wenn Warten sich lohnt

CD-Kritik: Dezmond Dez - Verlornigs Paradies
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Prolog-Music

Greis, Tommy Vercetti, Baze, Kutti MC und einst auch Wurzel 5, sie alle haben es getan: Sie haben Lieder geschrieben, die kritisch und teilweise kopflastig sind. Reflexionen über die Gesellschaft, das System oder das Erwachsenwerden sind Programm. Die Songs haben wenig mit den Nonsense-Texten der amerikanischen Rapszene gemein (natürlich schwimmen aber auch hier nicht alle Fische im selben Teich). In die Riege der obenerwähnten Künstler reiht sich nun ein weiterer Hauptstädtler ein: Der aus Haiti stammende Dezmond Dez.

 

Der Name Dezmond Dez ist in der Schweizer Hip Hop- und Rap-Szene kein Unbekannter. Seit zehn Jahren wirkt er schon in der Musikszene. Er hat zahlreiche Mixtapes herausgegeben und ist ein Teil der Supercombo Eldorado FM, in der unter anderem auch Tommy Vercetti und Manillio (momentan auch mit einem neuen Album unterwegs) mitwirken. Doch erst jetzt ist sein erstes eigenes Album erschienen. Die Frage nach dem Warum drängt sich auf. In einem Interview mit der Berner Kulturagenda erklärt er die Gründe: Er wollte sich auf relevante Themen konzentrieren und es dauerte seine Zeit, bis die Lieder seinen eigenen Ansprüchen gerecht wurden. Weitere zwei Jahre verstrichen, bis er wusste, wo und wie er die Platte veröffentlichen wollte.

 

Von Armut über Gesellschaft und Geld bis zur Flüchtigkeit des Moments

 

Das Warten hat sich gelohnt. Die Scheibe ist in sich stimmig und doch gleicht kein Lied dem anderen. Doch schon der erste Track macht klar, dass es sich nicht um ein Wohlfühl-Album handelt. Dezmond Dez rappt da etwa «Ds Gfängnis wo mr dinn si, hei mr üs säuber erbout» («2665»). Thematisch handeln die Songs von Problemen und Ängsten der Gesellschaft: Geld («Chopf oder Zauh»), Armut («Teil vom Syschtem»), Transparenzwahn, die Flüchtigkeit des Moments («Biuder») und letztlich ist auch die Liebe ein Thema (in den beiden scheinbar widersprüchlichen Liedern «D’Liebi isch tot» und «Isch d’Liebi tot?»). Auch die Melodien sind abwechslungsreich: mal melancholisch mit Klaviertönen, mal härter mit Elektrobeats.

 

Dezmond Dez schliesst gerade sein Studium in Germanistik und Philosophie ab. Da verwundern die tiefgründigen, literarisch anmutenden Texte kaum mehr. Im CD-Booklet ist neben den Songtexten auch zu jedem Lied ein passendes Zitat von Schriftstellern (z.B. Dostojewskij) oder Philosophen (z.B. Baudrillard) zu finden. Dez scheint sich durchaus bewusst zu sein, dass er auch anecken könnte. In «I Swear » (das entgegen des Titels grösstenteils in Mundart gerappt ist) stellt er klar, dass er nicht von allen akzeptiert werden und einfach nur einen Hit laden will.

 

Dezmond Dez ist nicht nur seinen Ansprüchen mehr als gerecht geworden: Abwechslungsreich und tiefgründig – diese Art von Rap gefällt! Es bleibt somit zu hoffen, dass es nicht wieder zehn Jahre dauert, bis sein nächstes Album erscheint. Vielleicht gibt es ja auch ein Buch: Dem Pressetext ist zu entnehmen, dass er seine Zukunft möglicherweise in der Literatur sieht. Ob schreibender Rapper oder rappender Schreiberling – diesen Burschen sollte man im Auge behalten.

 

 

  • Dezmond Dez
  • Album: Verlornigs Paradies
  • Releasedatum: 22.2.2013
  • Plattenlabel: Eldorado Records
  • Live: 18.5.2013 Kofmehl Solothurn
  •         25.5.2013 Exil Zürich

 

Annik Hosmann / Fr, 12. Apr 2013