Fraui: «Ich kann keine Geschichten erfinden»

Interview mit Fraui
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© Sony Music

Leicht erkältet sei er, erzählt Fraui, als wir den Zürcher in der Helvetiabar beim Stauffacher treffen. Wobei von einer Erkälrung lässt er sich im Gespräch nichts anmerken. Im Gegenteil. Aufmerksam, konzentriert und ausführlich spricht er über die Aufnahmen zum neuen Album, welche Beziehung er zum Gurtenfestival hat und was das Kernthema des Albums ist. 

 

Du hast dir für die Arbeit an «Danke» fünf Jahre Zeit genommen und dabei offenbar viele Erfahrungen gemacht. Wie wichtig war der Arbeitsprozess für dich?

 

In der Zeit haben wir ja nicht nur gearbeitet, sondern auch gelebt. Man trifft Menschen, erlebt Dinge. Wie es im Leben halt ist, sind diese Dinge gut und schlecht und alle diese Erfahrungen haben das Album und auch mich sehr beeinflusst. Für mich war es auch privat eine sehr wichtige Zeit, um überhaupt diese Geschichten erzählen zu können, die auf dem Album sind. 

Du hast also quasi das Album erst noch erleben müssen, bevor du es schreiben konntest?

 

Alle meine Songs sind sehr authentisch und ehrlich. Ich betone gerne, dass jedes Wort auf dem Album und in den Texten genau so gemeint ist. Ich kann keine Geschichten erfinden, das ist nicht meine Stärke. Darum ist alles auf dem Album autobiografisch. Es sind Geschichten, die ich erlebt habe und die mich irgendwo geprägt haben. Darum war diese Zeit wichtig für mich. 

Du hast das Album in verschiedenen Studios in unterschiedlichen Ländern aufgenommen. Wieso hast du dich dafür entschieden?

 

Gute Frage eigentlich. Wir haben mit der Arbeit im Central Studio in Zürich begonnen. Dann waren wir lange Zeit in London am Arbeiten. Wir waren mehrere Monate lang zusammen mit Leuten wie Slädu in einem Haus im Wald und haben dort gelebt und gemeinsam gewohnt. Das war eine spezielle  Zeit und sie hat das Album auch extrem stark geprägt. Wir waren ständig aufeinander in dem Haus und sind nur raus, um mit dem Hund zu laufen oder einzukaufen. Dann ist das Album schlussendlich im geschichtsträchtigen Powerplay Studio, was ja zu den bekanntesten der Schweiz gehört, zu Ende gegangen. 

 

Wir haben gesagt, «Es geht so lange, wie es geht. Und wenn es fünf Jahre dauern sollte, dann ist das eben so.» Am Schluss hat es jetzt doch so lange gedauert.

 

 

Du und Johnny Assenberg von Eijsden habt euch scho bevor ihr an die Arbeit zum Album gegangen seid, eine Zeit von fünf Jahren gegeben. Wieso gerade fünf Jahre?

 

Das war mal ein Spruch. Wir haben gesagt, «Es geht so lange, wie es geht. Und wenn es fünf Jahre dauern sollte, dann ist das eben so.» Am Schluss hat es jetzt doch so lange gedauert. Ich glaube, wenn man etwas richtig machen will, muss man sich die Zeit dafür nehmen. Nach drei Jahren waren wir sogar mal an einem Punkt, wo wir dachten, dass wir fertig seien. Wenn ich heute schaue, was in den letzten zwei Jahren noch passiert ist, dann bin ich sehr, sehr froh, dass es damals nicht zu Ende ging, sondern jetzt. 

Wie viele Songs sind denn in den fünf Jahren entstanden?

 

Wir haben spasseshalber am Schluss alles auf den Server gezogen und es waren am Ende 186 Titel. Wobei man sagen muss, dass nicht alle Songs fertig sind, zum Teil sind das nur Skizzen oder mal ein guter Refrain. 

 

Ich würde gerne zwei Songs auswählen und dich bitten, kurz etwas dazu zu sagen. Der erste ist «Ängel».

 

Das ist einer der wenigen Songs, die im Studio entstanden sind. Die meisten Songs sind bei mir zuhause oder unterwegs in Hotelzimmer entstanden. «Ängel» ist ein Song, der einen Moment beschreibt, in einer Zeit, in der wir viel im Studio waren und ich wenig Zeit für mein Umfeld und meine Familie hatte. «Ängel» ist aber auch ein Song für eine Person, die mich in der Zeit begleitet hat. 

Der zweite Song ist «Gurten». 

Das ist ein Exot und darum der letzte Song auf dem Album. Der Song steht ein wenige am Rand. In den fünf Jahren, in denen das Album entstand, war ich viel auf dem Gurten.  Ich liebe den Gurten sehr und bin ein grosser Fan von Bern und der Stadt und wer schon mal an einem Openair auf dem Hausberg war, weiss, wovon ich rede. Es ist eine sehr spezielle Stimmung, anders als an allen anderen Festivals, weil es so heimelig ist. Ich komme mir immer vor, als ob sich dort oben eine Familie, eine Gemeinschaft treffen würde. Da war ich also auf dem Gurten und das Festival ging am Sonntagabend zu Ende und der Song entstand in diesem Moment, also tatsächlich auf dem Gurten. Es ist eine Liebeserklärung an den Hausberg und das Festival. 

 

 

Ich habe dem Album fünf sehr intensive Jahre meines Lebens gewidmet, ich habe wenig bis keine Ferien gemacht, sondern die Zeit im Studio verbracht, und jetzt ist es wie fertig und ab jetzt entscheide nicht mehr ich, was passiert, sondern das Publikum entscheidet, ob meine Musik ihm gefällt.

 

 

Auf dem Album sind verschiedene Gäste. Slädu hast du bereits erwähnt. Dabei waren auch Coco und Stee Gfeller. 

Coco und Stee kenne ich durch die Musik schon seit ein paar Jahren. Sie sind für mich zwei absolut talentierte und supercoole Menschen. Ich schätze sie als Musiker sehr, weil sie innovativ und frisch sind. Für mich ist es ein grosser Wunsch, der in Erfüllung gegangen ist. Stee ist ein begnadeter Schlagzeuger und ein «geile Siech». Mit ihm im Studio zu sei ist einfach cool. Und Coco hat eine ganz spezielle, rockige Stimme und für mich war klar, wenn ich es irgendwie schaffe, dass die beiden auf dem Album sind, wäre das ein Traum, der wahr wird und darum bin ich superhappy, dass sie dabei sind. Das Resultat ist für mich besser geworden, als ich mir das je hätte vorstellen können. 

 

Oft drehen sich deine Texte um Abschied oder Aufbruch. Ist das Zufall? Entspricht das dir als Mensch, wenn du sagst, deine Texte seien persönlich?

 

Du bist der Erste, der das sagt und das stimmt wirklich. Bisher hat das keiner erkannt, aber Abschied ist schon ein zentrales Thema für mich. Jeder hat Sachen, mit denen er nicht umgehen kann. Ich kann mit Abschied nicht umgehen. Ich habe meinen Vater sehr früh verloren, da war ich 3 Jahre alt. Auch sonst habe ich zwei, drei Sachen erlebt, die schwierig waren. Abschied ist für mich ein schweres Thema, vielleicht ist es darum so präsent auf dem Album. Es hat sogar einen Song, der „Abschied“  heisst. Wenn ich mir meine Songs jetzt so durch den Kopf gehen lasse, handeln wirklich viele vom Abschied. Lustig, dass du das ansprichst, denn es ist wirklich ein wenig das zentrale Thema der Platte. 

Wenn man in der Schweiz von Mundart spricht, denken viele zuerst an den Berner Dialekt. Wie sind denn die Reaktionen auf deine Musik, also Mundart in Zürichdeutsch?

 

Vor allem kommt das Thema von den Bernern, die sich natürlich gewohnt sind, dass Mundart-Musik vor allem aus Bern kommt. Ich glaube aber, dass in den vergangenen Jahren viele Musiker wie Baschi, Stern oder Bligg, bewiesen haben, dass Mundart-Musik nicht nur aus Bern kommen muss. Natürlich haben Berner Acts in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie sehr stark sind, aber ich glaube, dass es absolut nichts Spezielles mehr ist, wenn ein Zürcher Künstler mit Mundart kommt. 

 

Wie geht es jetzt für dich weiter? Was steht in naher Zukunft an?

 

Das weiss ich gar nicht so genau. Wir haben an dem Album eine sehr lange Zeit gearbeitet und für mich ist es irgendwie auch eine Reise, die zu Ende geht. Ich habe dem Album fünf sehr intensive Jahre meines Lebens gewidmet, ich habe wenig bis keine Ferien gemacht, sondern die Zeit im Studio verbracht, und jetzt ist es wie fertig und ab jetzt entscheide nicht mehr ich, was passiert, sondern das Publikum entscheidet, ob meine Musik ihm gefällt. Ich hoffe natürlich, dass es sehr vielen Leuten gefällt und erste Reaktionen sind sehr positiv. Immer wieder bekomme ich Mails von Menschen, die schreiben, dass sie einen Song gehört haben und er ihnen in einer schwierigen Lebenssituation hilft. Das ist natürlich schön und sehr speziell. Das Album erscheint ja bald und ich bin auf die Reaktionen gespannt.

 

Fraui - «Weisch no?»

 

Die Plattentaufe findet statt:

 

  • Floor Club Kloten
  • 27. Februar 2014
  • Eintritt: 10.–  / Floor Members: 5.–
  • Alle Infos gibt es hier
Patrick Holenstein / Di, 25. Feb 2014