Who'll Stop The Rain?

Bäckstage auf Achse: Springsteen in München
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© Danny Schwenter

Ein Teil der Bäckstage-Crew machte sich am Wochenende mal wieder auf Achse und wir wählten als Ziel das Olympiastadion in München. Bruce «The Boss» Springsteen hat ein Konzert angekündigt, da müssen wir nicht lange überlegen. Ein unpassenderes Wochenende hätten wir jedoch kaum aussuchen können. Mal abgesehen davon, dass die Wetterprognosen von Schnee (Ende Mai!) sprachen, war Champions League Finale und die Gegner hiessen Borussia Dortmund und Bayern München - entsprechend voll war die Stadt. Das Spiel fand zwar in London statt, aber wo in München sonst Touristen am Rathaus ihre Häupter gespannt in Richtung Glockenspiel heben, dominierten Fangesänge und Menschen, die in Rot gekleidet waren. Dazu scheinen die Bayern äusserst demonstrationsfreudig zu sein. Auf den Strassen wurde gegen Gen-Gemüse referiert und ein extrem rechts positionierter Kämpfer wehrte sich gegen Moscheen. Die Stimmung zeigte sich aber trotz allem ausgesprochen friedlich und so flanierten wir ungestört in der Hauptstadt Bayerns, fragten uns, was für Menschen sich bei Abercrombie & Fitch in die lange Schlange stellen, nur um einkaufen zu können, hielten kurz den Kopf ins Hofbräuhaus, bewunderten verschiedene Prunkbauten und wunderten uns über den Schrein für Michael Jackson, der vor dem Hotel «Bayrischer Hof» aufgebaut war. Die Frage, ob das vielleicht mit jener Szene vor etwas mehr als zehn Jahren zu tun haben könnte, in der Jackson sein Kind aus dem Balkon hielt, um es den Fans zu zeigen, klärt im Nachhinein Google. Nein, denn die Szene mit dem Kind fand in Berlin statt. 

 

Der Mann aus New Jersey ist immer für eine Überraschung gut

 

Nach Sightseeing und Shopping am Samstag machten wir uns am Sonntag wacker auf in Richtung Olympiapark. Das Wetter zeigte sich Grau in Grau und etwas Überwindung mussten wir, zugegeben, schon aufbringen, um uns ins Olympiastadion zu begeben, aber ein Open-Air-Konzert bei gefühlten 5 Grad und Dauerregen erlebt man schliesslich auch nicht alle Tage. Wenigstens hatten wir Sitzplätze gebucht. Bruce Springsteen und seine Crew liessen sich dann auch kurz nach 19 Uhr mit sechs schwarzen Kastenwagen bis direkt an die Bühne chauffieren. Zu Springsteen muss man vielleicht erwähnen, dass der Mann aus New Jersey immer für eine Überraschung gut ist. Auch in München. So betrat er bestens gelaunt und nur mit einer Gitarre ausgestattet die Bühne. Die ersten Akkordfolgen sorgten noch für Unsicherheit und die Frage, welcher Song das wohl sein könnte, schwingte durch das Stadion. Doch nach einigen Sekunden brach Jubel aus, denn die ersten Menschen erkannten «Who’ll Stop The Rain» aus der Feder von John Fogerty. Zwar passte der Song natürlich super zum regnerischen Wetter, aber Springsteen scheint Creedence-Clearwater-Revival-Legende Fogerty generell zu mögen, denn auch in den Zugaben coverte Springsteen ihn mit «Rockin’ All Over The World». 

 

Seltene Perlen dank «Born In The USA» in voller Länge. 

 

An diesem Tag hat es in München nur einmal geregnet und der Wind war stetig vorhanden. Grosser Nachteil an so miserablem Wetter ist, dass der Sound vom Winde verweht wird. Ein Genuss war dieses Konzert soundtechnisch nicht, aber zwischenzeitlich klang der Sound immerhin ok. So konnten Klassiker wie «Born To Run» oder «Badlands» doch noch ihre Wirkung entfalten, obschon sie bei sommerlichen Temperaturen für deutlich mehr Stimmung gesorgt hätten. Immerhin zeigte sich die E-Street-Band, die bereits Jahrzehnte mit Springsteen tourt, sehr spielfreudig und das Vergnügen auf der Bühne kam nicht zu kurz. Immer wieder fischte sich Springsteen Zuschauer aus dem Publikum, liess bei «Waitin’ On A Sunny Day» gar drei sehr junge Konzertbesucherinnen singen und das Trio erwies sich als äusserst textsicher. Aus der Sicht von Springsteen-Fans war aber der Mittelteil der Show sicher das Highlight. Auf der aktuellen Tour spielt «The Boss“ hin und wieder komplette Platten. München kam so in den Genuss von «Born In The USA» und somit zu Klassikern wie «I’m On Fire», «Dancing In The Dark» oder «My Hometown». Besonders «I’m On Fire» war ein Glücksfall, denn der Song wurde auf der aktuellen Tour nur selten gespielt. Insofern entschädigte der Klassiker in der Setlist ein wenig für das schlechte Wetter. 

 

Nach gut circa drei Stunden verabschiedeten sich Springsteen und die E-Street-Band und entschwanden wieder in den schwarzen Kastenwagen. Wir machten uns in der Nacht noch auf in Richtung Zürich, in den Knochen  die Kälte und im Kopf ein seltsames «Was-Hätte-Sein-Können-Gefühl». «The Boss» und seine Band waren in bester Stimmung und auch München brach unter der Last der Menschenmengen nicht komplett zusammen. Wenn nur das Wetter auch mitgespielt hätte …

Patrick Holenstein / Fr, 31. Mai 2013