Tiefe, Kraft, Emotion. Marius Bär im Kaufleuten Zürich

Konzertkritik: Marius Baer im Kaufleuten
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Dein Herz schmerzt, es ist gebrochen, es fühlt sich alles so leer an und nirgendwo findest du einen Sinn. Du willst weg, zumindest mit den Gedanken möchtest du einen weiten Weg von deinem Herzen weg finden. Also gehst du in eine Kneipe, die ist nicht so weit weg von zu Hause ist, aber sie bringt dich auf andere Gedanken.

Dann sitzt du an der Bar, blickst in dein Glas und schweifst mit den Gedanken ab. Im Hintergrund hörst du diese Stimme, «frame me and put me on your bedside», die Stimme versteht dich, besser gesagt der junge Mann auf der Bühne versteht dich. Seine Stimme ist einfühlsam aber kräftig, kratzig, rau.

 

Bärenstarker Auftritt

 

Marius Bär spielt mit seiner Band im Kaufleuten Zürich. Es ist nicht so, dass die Zuschauer von Nachwuchstalent Marius Bär ein gebrochenes Herz haben und sich per Zufall im richtigen Moment in der richtigen Kneipe befinden, aber dieses filmreife Bild schwirrt einem bei den melancholischen und tiefgründigen Songs durch den Kopf.

Marius Bär, noch nie von Ihm gehört? Kann sein denn seine erste EP «Sanity» wurde erst letztes Jahr veröffentlicht. Plötzlich ging alles ganz schnell, von der Strassenmusik spielte der junge Künstler in Bars. 

 

Im letzten Sommer wurden der 25-Jährige an etlichen Festivals wie dem Zermatt Unplugged, Gurten, St. Gallen und vielen mehr gebucht und begeisterte hunderte, gar tausende Menschen. Jetzt ist der in London lebende Schweizer seit November 2018 bis Juni 2019 in England und der Schweiz auf Tour. Ausserdem wurde Marius Bär bei den Swiss Music Awards 2019 nominiert. Ein Nachwuchstalent mit Potenzial.

 

Bodenständig, sympathisch, sensibel

 

Am 25.Januar 2019 beweist Marius Bär sein Talent auf der Bühne im Kaufleuten Festsaal. Sein Publikum ist Mitte/Ende 30 und vor allem neugierig. Einige kennen ihn oder lieben ihn schon, andere sehen ihn zum ersten Mal live oder kennen seine Lieder von Spotify, Radio SRF bzw. Virus oder anderen Radiostationen. Aber alle sagen das gleiche: «So ein bodenständiger Mann», «Eine unglaubliche Stimme», «Super sympathisch».

 

Marius Bär steht Barfuss auf der Kaufleuten-Bühne, ohne Schuhe, wie er es auch am Konzert in Aarau oder an den Sommerfestivals getan hat. Vielleicht ein Markenzeichen des jungen Mannes.

 

Der Musiker schöpft sein ganzes Talent aus, seine ganze Kraft und seine ganzen Emotionen. «Meine Bandmitglieder könnten jetzt arbeiten, studieren, Geld verdienen, aber sie stehen hier hinter mir, weil sie wie ich an diesen grossen Traum, an die Musik glauben und sie verdienen nur wenig Geld.» Marius Bär lacht herzlich, wendet sich zu seiner Band und verschüttet Tränen. Aus Freude, Hoffnung und Dankbarkeit gegenüber seiner Band und vielleicht auch gegenüber seinem Publikum. Er wendet sich zurück ans Publikum «Hey, nein echt Leute danke, wirklich, vielen Dank.»

 

Marius Bär kann es nicht fassen, dass sein Vorsingen im Militär ihn jemals so weit gebracht hat, weil erst dort sang der damals 20-Jährige zum ersten Mal. Vorher hatte der Mann mit der tiefen Stimme niemals geglaubt, je singen zu können oder zu wollen. Jetzt sorgt der junge Mann aus dem Appenzell für Hühnerhautmomente. Besonders beim Song «Remember me» und «Frame me» bleibt die Zeit im Publikum stehen, bei den beiden Blues-Balladen schwankt das Publikum mit, die einen schliessen gar die Augen und lassen sich von der Musik tragen. Das Konzert im Kaufleuten ist aber nicht nur bluesig, melancholisch, träumerisch. Es gibt auch eine Note Rock dazu und einige elektronische Klänge zum Tanzen.

 

Du sitzt in einer Kneipe mit einem gebrochenen Herzen und tausend Gedanken. Im Hintergrund hörst du eine Stimme, sie ist tief, kratzig, sensibel und lässt dich alles vergessen. So ist Marius Baer.

 

Valeria Piediscalzi / So, 27. Jan 2019