Lionel Richie sorgte in Zürich für emotionalen Overkill

Konzertkritik: Lionel Richie @Hallenstadion
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Lionel Richie Facebook

Zwei kleine Leinwände links und rechts von der Bühne und eine grosse über der Bühne kündigten mit den Worten «Lionel Richie – All The Hits All Night Long» den bevorstehenden Auftritt des Schmuse-Sängers an. Der Name war Programm. Kaum einer seiner grossen Hits fehlte auf der Setliste.

 

Das Publikum war wie zu erwarten bunt gemischt und generationenübergreifend. Von den «The Commodores»-Fans der ersten Stunde über jene, die in den 80ern zu Lionel Richies Herzschmerz-Balladen engumschlungen in der Disco getanzt haben, bis hin zu denen, für die es «bei der musikalischen elterlichen Erziehung kein Entrinnen gab», wie Lionel Richie scherzend anmerkte.

 

Gut gebrüllt, Löwe!

 

Punkt 21 Uhr betrat Lionel Richie die Bühne. Eine Frage, die nicht nur ich mir stellte, sondern auch einige der 5‘000 Konzertbesucher um mich herum: «Wie macht er das nur? Mit seinen 65 Jahren noch immer so jung auszusehen?» Zugegeben, er sah tatsächlich kaum einen Tag älter aus, als einst bei der Veröffentlichung seines ersten Live-Albums «Encore» im Jahr 2002. Nicht nur, dass man nach Falten und grauen Haaren hätte lange suchen müssen, er bewies auch, dass er den Hüftschwung noch immer mühelos beherrscht. Wie ein Löwe schritt er die Bühne ab – seine 5-köpfige Band an seiner Seite.

 

Die Tatsache, dass das komplette Hallenstadion bestuhlt war schien, schnell niemanden mehr zu interessieren. Auch wenn Lionel Richie keine Massenhysterie auslöste, so sorgte der Schmuse-Sängers mit seiner musikalischen Retrospektive gleichwohl für grosse Begeisterung. Ob nun beim «The Commodores»-Song «Easy» oder bei einem der anderen unzähligen Hits wie «Say You, Say Me» oder «Dancing On The Ceiling» das Zürcher Publikum zeigte sich textsicher. Das Rhythmus- und Tanzgefühl zeichnete sich bei so manchen als wesentlich grössere Herausforderung ab. Da konnte selbst Lionel Richie nicht anders, als mit etwas unbeholfenen, unkontrollierten Bewegungen das Szenario zu kokettieren.

 

Emotionaler Overkill

 

Auch wenn sein honigsüsser Gesang über die Jahre hinweg zunehmend einer Reibeisenstimme gewichen ist, so verfehlten seine Songs ihre Wirkung keinesfalls. Wer im Publikum nicht zu den Verliebten gehörte, für jene dürften Songs wie «Endless Love» und «Angel» einem emotionaler Overkill gleichgekommen sein. Mit «We Are The World» von U.S.A. for Africa, das aus der Feder von Michael Jackson und Lionel Richie stammt, verabschiedete sich der einstige Kopf der legendären Motown-Band The Commodores nach knapp zwei Stunden vom Schweizer Publikum. Dieses wiederum bedanke sich mit Standing Ovations und zeigte sich ein letztes Mal textsicher. Wer das Konzert verpasst haben sollte – schon im Juli kommt der Soul-Sänger anlässlich des Live At Sunset Festivals zurück in die Limmatstadt.

 

 

«Früher war alles besser», das sei mal dahingestellt. Doch fest steht, ob in den 80ern oder heute – Lionel Richie bewies bei seinem Konzert in Zürich abermals, dass seine Musik zeitlos und er nach wie vor ein Garant für die grossen Gefühle ist.

Dominique Rais / Di, 24. Mär 2015