Wenn das Kätzchen bellt

ZFF 2023: Moviekritik zu Dumb Money
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© 2023 Ascot Elite Entertainment.

Keith Gill ist Ehemann, Vater, Softwareentwickler und lizensierter Wertpapierhändler in Massachusetts. Nachdem er den Aktienmarkt penibel analysiert hat, erkennt er eine Gelegenheit. GameStop, die eher unbeliebte da nachlässige Kette für Computerspiele, wird von der Wall Street angegriffen. Windige Investoren wetten darauf, dass der Kurs der stark angeschlagenen Firma weiter fallen wird, und beschleunigen damit deren Niedergang. Diese fiese Taktik nennt sich englischen Jargon «shorten». Gill, der gut mit dem Innenleben von GameStop vertraut ist und schon länger vermutet, dass die Banker an der Wallstreet ihre Diagnosen mit Schimpansen und Dartpfeilen stellen, fasst einen verwegenen Plan: die Rettung des Unternehmens und den damit verbundenen Untergang der Angreifer.

 

Der Nerd mit den Diamantenhänden

 

Zu diesem Zweck ruft er unter den Decknamen «Roaring Kitty» und «DFV» auf Internetplattformen zum Kauf von GameStop-Aktien auf. Dies soll nicht nur die Firma aus der Abwärtsspirale holen und Käufern in aller Welt fette Gewinne bescheren. Es würde auch den feindlichen Investoren Schäden in Milliardenhöhe zufügen. Denn bei sogenannten Leerverkäufen (dem deutschen Wort für «shorten») gibt es kein Limit für Verluste, wenn der Kurs in die falsche Richtung geht – in diesem Fall nach oben.

 

Nachdem Gill zunächst für völlig verrückt erklärt wird, kann er die Internet-Gemeinschaft mit seinem detaillierten Wissen schliesslich für seine Sache gewinnen. Ein Orkan aus Memes und Käufen überzieht das Web, scheucht die etablierten Medien auf und animiert Wall Street dazu, die drohende Niederlage mit (wie später bewiesen) kriminellen Tricks abzuwenden.

 

Eine ziemlich wahre Geschichte

 

Gill war für die Macher dieser wilden Komödie leider nicht verfügbar, weswegen man sich auf öffentlich zugängliche Informationen stützte. Allem voran den Bestseller «The Antisocial Network». Dabei bleibt der Film erfrischend nah an der Wahrheit, obwohl pikante Details fehlen. So war die Raserei nicht auf GameStop begrenzt. Auch Firmen wie AMC, Blackberry und Nokia profitierten von Kleinanlegergeld. Und einige verschriene Investoren wie Vanguard oder Blackrock stiegen ebenfalls ein und machten den ganz grossen Reibach. Naja, es gibt halt mehrere Goliaths dort draussen.

 

Es ist einfach herrlich absurd, wenn der unterwältigende Produktionswert von Roaring Kittys Videos mit Millionen von Dollars auf der grossen Leinwand nachgeahmt wird. Paul Dano liefert eine solide Performance ab, gleichwohl seine phlegmatische Art das aufgestellte Naturell von Keith Gill eher verfehlt. Und stellenweise grenzt der Film an Reizüberflutung. Doch bekommt man ein rundes Kinoerlebnis – selbst wenn man nichts über Finanzmärkte weiss.

 

All dies, weil sich ein einzelner Mann nicht zu schade für eigene Recherchen war, eisern an seinem Plan festhielt, und damit einer Menge Menschen zu einem kleinen Vermögen verhalf.

 

Dies ist dann auch die Kehrseite der Medaille. In einem Ozean aus falschen Versprechungen über Bitcoins, Online-Casinos und NFTs war dies die einzige goldene Chance auf schnellen Reichtum. Sie spielte sich vor unseren Augen live in allen Medien ab. Und sie wird sich nie wieder bieten. Auch wenn euch selbsternannte Finanzgurus mit Babyspeck und gemieteten Lambos in den Werbevideos auf YouTube was Anderes erzählen.

 

«Dumb Money» ist witzig, schnell und nahe dran an der Wahrheit. Auch wenn man die Geschichte damals in den Medien mitbekommen hat, ist es sowohl ein Genuss als auch eine Genugtuung, die Ereignisse nochmal kompakt aufgerollt zu bekommen.

 

  • «Dumb Money» – USA 2023
  • Regie: Craig Gillespie
  • Besetzung: Paul Dano, Shailene Woodley, Pete Davidson, Nick Offerman, Sebastian Stan u.a.
  • Laufzeit: 105 Minuten
  • Kinostart: 26. Oktober 2023

 

Mike Mateescu / Mo, 02. Okt 2023