Es ist nie zu spät

Filmkritik: The Sessions
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© 2012 Twentieth Century Fox Film Corporation.

In «The 40 year old virgin» wurde es thematisiert, in «Hasta La Vista» wurde dafür gekämpft und in «The Sessions“ wird nun darüber gelacht. Das erste Mal. Für körperlich behinderte und kranke Menschen wie Mark O’Brian (John Hawkes, «American Gangster», «Me, You and Everyone We Know») eine Unmöglichkeit. Oder zumindest fast. Der an Polio erkrankte ist Ende 30 und hatte noch nie Sex. Seine Überlebenschancen stehen schlecht und sein engster Vertrauter ist ein Priester namens Brendan (William H. Macy, «Shameless», «Fargo»). Nicht gerade die besten Chancen also, um doch noch in den Genuss der schönsten Nebensache der Welt zu kommen. Doch Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. So engagiert Mark die Sextherapeutin Cheryl (Helen Hunt, «Twister», «Something‘s Gotta Give») um sich Schritt für Schritt an das andere Geschlecht heranzutasten. Dabei geht erstmal sehr viel schief, körperlich als auch emotional. Doch wie sein Körper gewöhnt sich auch Marks Psyche mehr und mehr an Cheryl, bis die ersten Gefühle einsetzen.

 

 

Bild 1: Der unterstützende Pater und Freund. Bild 2: Langsam klappt es im Bett. (Mit Maus über Bild fahren) 

 

Am letztjährigen Sundance Filmfestival wurde «The Sessions» mit einem Publikumspreis geehrt und danach an weiteren Festivals und dem Zurich Film Festival gefeiert. Einer der Gründe für diesen Erfolg ist sicherlich der Optimismus, der trotz schwieriger Momente überwiegt. Natürlich bleibt es fraglich, ob der ein wenig flachere Humor beim durchschnittlichen Kinopublikum ankommen wird, besonders im gegebenen Kontext mit einer kranken Hauptfigur. Dennoch sollte sich niemand wegen der körperlichen Behinderung des Protagonisten abgeneigt füllen, herzhaft zu lachen, wenn es die Situation zulässt, denn Mark würde sich den Lacher auch nicht verkneifen. Dafür ist das Leben viel zu kurz.

 

Bereits heisser Oscar-Favorit: John Hawkes

 

Obwohl die autobiographisch angehauchte Story es vielleicht nicht vermuten lässt, handelt es sich bei «The Sessions» durch und durch um eine herzliche Komödie, die zeigt, dass nicht die körperlichen Belange am schwierigsten zu bewältigen sind, sondern die emotionalen. Denn Cheryl ist verheiratet und hat ihre eigenen kleinen Sorgen und Probleme. Dennoch - oder gerade deswegen - kommen sich Mark und Cheryl näher, was in mehr Verwirrung und Chaos mundet als all die Sexpannen während der Sessionen. Dass diese Geschichte derart zu fesseln vermag und durchwegs für gute Stimmung sorgt, ist zum einen dem hervorragenden Oscar-Anwärter John Hawkes zu verdanken, der uns zu einem lachenden und weinenden Auge rührt, und zum anderen William H. Macy, dessen Sprüche und Ratschläge als Priester gewiss auch nach dem Kinobesuch in Erinnerung bleiben werden.

 

Beide Bilder: Helen Hunt in der Rolle der Sextherapeutin.

 

«The Sessions» überzeugt - trotz der traurigen Ausgangslage - als eine aufgeschlossene Komödie über Menschlichkeit, Intimität und Lebensfreude, die auch lange nach dem Kinobesuch das ein oder andere Schmunzeln auf unser Gesicht zaubert.

 

  • The Sessions (USA 2012)
  • Regie & Drehbuch: Ben Lewin
  • Besetzung: John Hawkes, Helen Hunt, William H. Macy, Moon Bloodgoon, Annika Marks, Adam Arkin
  • Laufzeit: 95 Minuten
  • Kinostart: 3. Januar 2013

 

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Tanja Lipak / Mi, 02. Jan 2013