Charlie und seine Roboter

DVD-Kritik: Real Steel
Bildquelle: 
©DreamWorks II Distribution Co., LLC.

In der vierzigsten Filmminute bringt Bailey Tallet (Evangeline Lily, «Lost») die Prämisse auf den Punkt und pfeffert die Quintessenz direkt in das Gesicht von Charlie Kenton (Hugh Jackman, «X-Men: Wolverine»). Was er nicht erkenne, sei, dass er sich selbst im Weg stehen würde. Die Bild- und Tonebene symbolisiert dem Zuschauer allerdings schon viel früher, wie es um Charlie steht. Wenn er in den ersten Sekunden des Films durch ein Windradfeld fährt und auf der Tonspur Alexi Murdoch die Zeile «I’ve been searching all my days» singt, könnte nicht deutlicher sein, dass sich Charlie genau wie die Windräder im Kreis dreht. Was ihm fehlt ist ein Weckruf, der ihn aus seiner Lethargie befreit. Diese Aufgabe übernimmt Max (Dakota Goyo, «Thor»), elf Jahre alt und Charlies Sohn.

 


Charlie ist ein ehemaliger Boxer, der sich mehr schlecht als recht mit Roboterkämpfen über Wasser hält. Menschliches Boxen gibt es längst nicht mehr. Die Forderung nach immer brutaleren Kämpfen hat zur Konsequenz geführt, dass nun Maschinen aufeinander losgehen. Mitten in der Wüste erreicht Charlie ein Anruf. Seine Ex-Frau ist gestorben und er als Vater der nächste Verwandte von Max. Für 100‘000 Dollar überlässt Charlie die Vormundschaft für Max jedoch seiner ehemaligen Schwägerin. Die Bedingung ist, dass Charlie sich einen Sommer lang um Max kümmert, weil die zukünftige Ersatzmutter im Ausland weilt. Widerwillig erklärt Charlie sich einverstanden. Der kluge Max ist ebenso wenig erfreut, findet aber durch die Roboterkämpfe schnell Zugang zu seinem Vater. Zudem schliesst er Bailey, die so halb mit Charlie liiert ist und geschickt Roboter zusammenbaut, sofort in sein Herz. Als Max mit Charlie auf der Suche nach Ersatzteilen auf einem Schrottplatz beinahe in einen Abgrund fällt, bleibt er an einem alten Roboter hängen. Max buddelt ihn aus und beginnt sich liebevoll um den Roboter zu kümmern. Durch einen Bewegungssensor ausgestattet kann der Roboter alle Bewegungen, die Max ihm beibringt, speichern und wird immer flinker. Die Maschine wird für ihn ein stummer Freund. Der erste Kampf steht an. Max gewinnt und kann Charlie so überzeugen, den Roboter das Boxen zu lehren, denn Max will mit seinem deutlich kleineren Roboter den Champion herausfordern: Zeus. David gegen Goliath.Wer wird gewinnen?

Mal ehrlich: Ein Kampfroboter, der von Hugh Jackmann zum Boxer trainiert wird? Die Stahlvariante von Rocky? Testosterongesteuertes Machogehabe mit mächtigen Maschinen? Eben nicht. In der Geschichte steckt deutlich mehr. Das muss sich auch Regisseur Shawn Levy gedacht haben, als er vom Projekt erfahren hat. Der «Night at the Museum»-Regisseur konzentriert sich auf die Vater-/Sohn-Beziehung und nutzt die Roboter als Mittel zum Zweck, also nur, um die Geschichte voranzutreiben. Wenn beispielsweise Max seinem Vater sagt, er solle sich nicht auf einen riskanten Kampf einlassen, Charlie aber nicht hören will und sein Roboter, stellvertretend für ihn, windelweich geprügelt wird, nutzt der Film den Kontext, um zu verdeutlichen, wer eigentlich das Kind ist. Charlie ist impulsiv und überlegt sich die Konsequenzen seiner Taten oft erst im Nachhinein während Max für sein Alter sehr schlau ist und sehr genau abwägt, was er tut.

 


Hugh Jackman und Dakota Goyo als Vater und Sohn sind ideal besetzt. Der Australier Jackman verkörpert den sympathischen Loser mit viel Leidenschaft, wird aber von Goyo trotzdem an die Wand gespielt. Der Jungdarsteller ist einfach zu gut und nutzt seine Spitzbübigkeit. Er hat sicher grosses Potenzial für eine Schauspielkarriere. Es macht einen Heidenspass, dabei zuzusehen, wie die beiden Figuren sich entwickeln – nach typischer Hollywoodtradition natürlich zum Guten – und sie langsam zu einem Team, ja fast zu einer Familie werden. Das gilt auch für den Roboter. Die amüsantesten Szenen des Films sind jene, in denen Jackman dem Kamproboter in den frühen Morgenstunden das Boxen beibringt und ihn dabei antreibt als ob er einen Menschen formen würde, allerdings selbst merkt, dass er nicht mehr der Jüngste ist und im Gegensatz zu seinem Schützling schnell müde wird. Hier menschelt es gewaltig zwischen dem Blechhaufen und Jackman. Fehlt nur noch die Rocky-Hymne, dann wäre die Hommage perfekt. Aber mit das Berührendste im Film ist, wenn Vater und Sohn am Ring zusammen einen Kampf austragen und in der Euphorie zu einer Einheit verschmelzen. Dann sprechen die Blicke, die sie sich zuwerfen, ganze Bände.

Hugh Jackman ist vielleicht einer der wenigen Charakterdarsteller, der sich an Actionfilme herantraut. Mit der Rolle in Real Steel hat er sich einen grossen Gefallen getan. Der Film will an sich nur unterhalten, erzählt dabei aber eine berührende Geschichte mit viel Herz. Streckenweise erinnert er ein wenig an Stallones’ „Over the Top“. Wer Roboter mag, wird hier eh zufrieden sein, aber auch sonst hat der Film eine Chance verdient, denn die Geschichte funktioniert zusammen mit den schön gefilmten und sauber choreografierten Actionszenen bestens.

 

  • Real Steel (USA / Indien 2011)
  • Regie: Shawn Levy
  • Darsteller: Hugh Jackman, Dakota Goyo, Evangeline Lily
  • Laufzeit: 127min
  • Auf DVD ab: 29. März 2012

 

Alle Bilder: ©DreamWorks II Distribution Co., LLC.  All Rights Reserved.

Patrick Holenstein / Do, 29. Mär 2012