Hundeherz, Kerstin Ekman

Buchkritik: Hundeherz, Kerstin Ekman
Bildquelle: 
Piper Verlag

Ein kleines unscheinbares Buch, geschenkt von einer Freundin, bereichert mein Bücherregal. Auf dem Umschlag titelt die Süddeutsche Zeitung: «Bei aller Kürze ein bedeutendes Buch». Naja, das kann viel oder auch nichts heissen. Und so beginne ich die Lektüre in Erwartung einer weiteren kleinen süssen Geschichte vom verlorenen Hundewelpen in der schwedischen Wildnis…


Fünf Seiten weiter fühle ich mich ausgebremst. Merke, dass man sich diese kraftvolle und präzise Sprache auf der Zunge zergehen lassen muss, um den Bildern die Zeit zu gewähren, sich in ihrer vollen Kraft zu entwickeln. Also nochmals von vorn. In halbem Tempo lasse ich mich langsam reinziehen in die rauhe Welt des nordischen Waldes. Man braucht kein Hundefreund zu sein um sich auf diese Reise zu begeben. Es reicht die Bereitschaft, sich in ein Mitgeschöpf einzufühlen, um sich von der wunderbar lyrischen Prosa verzaubern zu lassen. Das Buch vermenschlicht den Hund nicht, im Gegenteil, wer sich darauf einlässt, wird selbst zum Hund. Irgendwann spüre ich selber das Rascheln der trockenen Gräsern auf der frisch abgetauten Wiese, wenn sich die Wühlmäuse darunter tummeln. Ich höre das leise Fiepen und in mir regt sich der Instinkt zum Sprung. Nahrung, Frühlingssonne, kurzes Glück im täglichen Überlebenskampf – in unseren ureigensten Bedürfnissen sind wir wie unsere Mit-Säugetiere.

 

Die Lektüre ist nicht erholsam, keine Geschichte für den Reisekoffer, sondern eine Konfrontation mit der tiefsten Ebene der eigenen Urinstinkte.  Eine solche Begegnung ist spannend und wertvoll in dieser leider oft oberflächlichen Welt.


Am Ende des Buches ist der empfindsame Leser lange im Wald gewesen, hat gefroren, gehungert, sich geängstigt, aber auch ein grosses Abenteuer erlebt. Er ist gerannt, hat geschlafen, war nass und hat sich an der Sonne den Pelz trocknen lassen. Und erst beim darüber Nachdenken offenbart sich mir langsam die grosse Bedeutung dieses Werks. Sicherlich nichts für jedermann, aber ich pflichte der Süddeutschen Zeitung voll und ganz bei.

 

Kerstin Ekman, geboren 1933 südwestlich von Stockholm, ist eine der wichtigsten zeitgenössischen Schriftstellerinnen Schwedens. Spätestens seit der Erscheinung ihres Romans «Geschehnisse am Wasser» 1995 ist sie auch im deutschsprachigen Raum ein Begriff. «Hundeherz» ist in Schweden bereits 1986 erschienen, die deutsche Ausgabe kam 2009.

Jenny / Mo, 02. Jan 2012