Und Gott gab den Menschen die Sprache ...

Schweizer Meisterschaften im Poetry Slam
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Auf dem weitläufigen Areal vor der Berner Turnhalle versammelte sich am Samstagabend eine grosse Menschentraube, welche erwartungsvoll den Hauptsaal stürmen wollte. Etwas Geduld war dann aber doch gefragt, denn die Menschenschlange schlängelte sich um sämtliche Food- und Getränkestände herum. Und auch der Saal war mehr als nur gut besetzt. Mühsam? Nein, ist doch toll, wenn die Menschen Geschmack zeigen und am «heiligen» Samstagabend einen Poetry Slam besuchen. 

 

Das Einzelfinale

Insgesamt neun Finalistinnen und Finalisten hatten sich am Freitag für das  samstägliche Einzelfinale qualifiziert. Drei Leute pro Gruppe, drei Gruppen insgesamt, einer kommt weiter, drei Finalisten, ein Gewinner - Das System ist um einiges weniger komplex als die behandelte Materie: Die Sprache. Das schöne an Slam Poetry ist das «Stilfreie», die grossen Unterschiede unter den Poeten und ihren Texten. Und natürlich ist der eigentliche Auftritt, der Moment, zentral. Literatur ist hier Performance, das differenziert diese Disziplin von den herkömmlichen Vertretern und macht ihn zu leichter, geistreicher Kost, die vielleicht umso mehr haften bleibt.

 

So, nun aber zur knallharten Battle. Gerade weil Slam Poetry über einen grossen inhaltlichen Spielraum verfügt, sind natürlich auch die Vorlieben bei den Zuschauern sehr unterschiedlich. Deshalb werde ich einfach subjektiv ein paar persönliche Highlights untermalen, welche mich irgendwie glücklich machten an diesem Abend. 

 

Der bitterböse Christoph Simon

 

Christoph Simon war als dritter Performer an der Reihe. Mit seinem Auftritt schaffte er es als einer von drei Poeten ins grosse Finale. Freunde von «pest-schwarzem» Humor kommen bei ihm voll auf ihre Kosten. Mit seinem Tagebucheintrag eines fünfzehnjährigen Jungen überschritt er Grenzen, wie es auch Pubertäre zu tun pflegen. Und auch im «Grande Finale» trumpfte er mit skurillen Figuren und bösen Vergleichen auf. Zum Schweizer Meistertitel hat es aber dieses Jahr nicht gereicht.

 

Die sympathisch-überdrehte Ostschweizer-Plage Lara Stoll

 

Klein, aber oho … oder so. Lara Stoll ist dem einigermassen versierten Slam-Junkie sicherlich ein Begriff. Auch sie hatte einen starken Auftritt am Samstag in Bern. Aber ebenso starke Konkurenz in ihrer Gruppe, denn für’s Finale hat es nicht gereicht. Mit «diesem Text» lotete die Thurgauerin so ziemlich alles aus, was man auf einer Poetry-Slam-Bühne so machen kann, ohne zusätzliche Hilfsmittel. Vom eigenen Text zur Tanzeinlage und zum Stage-diving gezwungen, musste sie den Finaleinzug nach wiederholtem Applaus-Rating der zukünftigen Schweizer Meisterin überlassen.

 

Die würdige Siegerin Hazel Brugger

 

Schweizer Meisterin 2013 wurde Hazel Brugger, ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt. Bei diversen Slams oder auch bei Giacobbo/Müller konnte sie mit ihren schwarzhumorigen Texten bereits das Publikum erfreuen. Mit «Tiere quälen» blieb der einzige Gequälte zum Glück ein Schwan. Von ihr werden wir bestimmt noch mehr hören (hoffentlich!).

 

Der altbekannte Renato Kaiser

 

Der letztjährige Schweizer Meister Renato Kaiser eröffnete das Finale, ohne selbst am Wettbewerb teilzunehmen. Mit seinem lustigen, aber auch nachdenklich-stimmenden Text über einen kleinen «Jugo» in der Schule hat er einmal mehr gezeigt, dass er immer noch zu den begabtesten und vielfältigsten Poeten der Szene gehört. 

 

Eines ist klar, gut waren zweifellos alle Poetinnen und Poeten an diesem Abend. 

 

Matthias Niederberger / Mo, 21. Okt 2013