MilleniumKid: «Ich werde vor Auftritten immer müde»

Interview mit MilleniumKid
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Pressefoto: ©Can Wagener

Unter dem Künstlernamen MilleniumKid erobert ein junger, deutscher Songwriter aktuell die Konzertsäle und hat damit sein Hobby professionalisiert und zum Beruf gemacht. Wir haben mit MilleniumKid über die laufende Tour und das Gefühl, auf der Bühne zu stehen, gesprochen. Und wir haben Einblick in die Entstehung der Songs bekommen bzw. welche Vorteile es hat, sein eigener Produzent zu sein. Zudem hat MilleniumKid verraten, wieso er keine Nervosität mehr kennt. 

 

Du bist aktuell auf Tour. Viele Konzerte sind ausverkauft. Wie erlebst du die Tour bisher?

Es ist meine erste Solotour und alles ist sehr aufregend. Insane, dass die Tour von den Leuten so gut angenommen wird. Das ist nicht selbstverständlich, weil es mein erstes Live-Jahr ist. Dass das direkt so funktioniert, ist einfach unfassbar. Mir fehlen fast die Worte dafür.

 

Wie ist die Stimmung in den Konzertsälen?

Mega gut. Meine Konzerte sind eine Art Mitmachprogramm. Ich finde, meine Songs sind zwar schön anzuhören, aber auch dafür gemacht, dass die Leute ihre eigenen Gefühle raussingen und -schreien können. Das ist mir bei Konzerten wichtig, darum ist es meistens sehr laut bei meinen Konzerten und sehr dancy. Eine tolle Mischung, wie eine kleine Achterbahnfahrt. (lacht)

 

Wie ist eigentlich dein Künstlername entstanden?

Ich bin am 1. Januar 2000 geboren. Wenn ich in meiner Jugend Leute kennengelernt und mich irgendwo vorgestellt und meinen Geburtstag erwähnt habe, sagten ältere Leute oft: «Ah, weißt du noch, wie es damals war?» oder «Du bist ein Milleniumkind.» Daher kam der Name.

 

Kommen wir zu deiner Musik. Die aktuelle Single «Keine Luft» wirkt sehr persönlich. Wie viel von dir bzw. deinen persönlichen Erfahrungen steckt in deinen Songs?

Eigentlich alles, weil es einfach aus mir rauskommt. Es sind diese Abende, wo man in sich kehrt und alles, was man erlebt und erfahren hat, versucht lyrisch in Texte zu fassen. Viele Leute können sich damit identifizieren. Das finde ich manchmal gut, tut mir aber auch manchmal leid, weil das teilweise roughe Themen sind. Unter dem Strich hilft es den Leuten aber schon, mit den Thematiken leichter umzugehen und sie sogar abzuschliessen. Das ist eigentlich sehr schön.

 

 

Manchmal träume ich auch von einer Melodie und halte sie sofort in einer Sprachnotiz fest, wenn ich erwache.

 

 

Deine Texte sind oft dunkel, beleuchten schwere Momente, sind aber ehrlich. Wie hast du für dich den passenden Stil gefunden?

Ich glaube, ich habe ihn nicht gefunden, sondern das alles einfach rausgelassen. Ich gehe da nicht so verkopft ran. Es wird manchmal verkopft, wenn ich versuche, etwas zu beschreiben und in einen Reim oder eine Zeile zu kriegen, was eigentlich 30 Sätze bräuchte. Das ist eine Schwierigkeit, die ich manchmal habe. Aber inzwischen kriege ich auch das ganz gut hin.

 

Wenn du eine Idee hast, wie entwickelst du diese zu einem fertigen Song?

Das ist immer unterschiedlich. Ich mache meine Beats alle selbst, was mir den Vorteil gibt, dass ich das, was ich textlich wiedergebe, auch in den Beats aufnehmen kann. Manchmal ist es so, dass ich mir die instrumentalen Parts, die Beats, anhöre und mir so bereits vorschreibe, wohin es textlich gehen soll. Manchmal träume ich auch von einer Melodie und halte sie sofort in einer Sprachnotiz fest, wenn ich erwache. Hin und wieder gibt es im Leben auch sehr intensive Momente, wo ich mir dann bewusst 2, 3 Minuten Zeit nehme und etwas runterschreibe, um es in einem Song zu verwenden, bei dem ich in diese Richtung gehen möchte.

 

Viele Texte entstehen, zumindest laut den Credits, im Team. Wie sieht diese Arbeit aus?

Man steht im Grunde auch unter «geschrieben von» drin, wenn man beispielsweise eine Melodie beigesteuert hat, an dich ich nicht gedacht hatte, oder sonst den Prozess unterstützte. Die Texte sind da in den Credits gar nicht so gross berücksichtigt.

 

Du bist selbst Produzent. Welche Vorteile hat das bei der Produktion von Songs für MilleniumKid?

Es ist auf jeden Fall ein Vorteil. Man muss halt nicht in eine andere Stadt fahren, um mit einem Produzenten zu arbeiten, den man erst kennenlernen und ihm kommunizieren muss, wie man irgendwas möchte. Ich kann meine Gefühle sofort in einen Beat umsetzen.

 

MilleniumKid - «Keine Luft»

 

Wie bist du zur Musik gekommen und wann war die klar, dass du professionell Musik machen möchtest?

Ich habe meine ganze Kindheit lang schon Musik gemacht. Angefangen hat es mit Metal, also mit der E-Gitarre. Dieses Roughe mochte ich und habe sehr viel Metal gespielt, auch in einer Band. Irgendwann ging es ins Produzieren über und ich habe digitale Klänge eingebracht. Die Entscheidung fiel eigentlich so 2022. Es war ein Schalter, der sich umgelegt hatte. Mit Mitte Zwanzig fragt man sich irgendwann: «Was möchte ich später im Leben machen?» Da habe ich mir gedacht, ich steck nochmals ein paar Jahre volle Energie in die Musik, vielleicht klappt es ja. Zum Glück hat es geklappt.

 

Musikalisch kann man in deiner Musik diverse Referenzen finden. Wie definierst du deine Musik und von welchen Acts oder Stilen siehst du dich beeinflusst?

Ich finde, meine Musik hat sehr viel Tiefe und diese Tiefe ist für jeden anders. Das ist, glaube ich, was einen nicht in eine gewisse Zwangslage von «wie fühle ich gerade diese Stelle im Song» bringt. Jeder kann selbst entscheiden, wie tief das Gefühl eines Songs in einen eindringt. Das bietet viel Freiheit und dadurch wird es breit angenommen. Gefühle sind oft unterschiedlich, auch wenn sie manchmal die gleichen Bedingungen brauchen. Wie war der zweite Teil der Frage?

 

Welche Musik, Acts oder auch Stile dich geprägt haben.

Genau. Wie oben erwähnt, habe ich mit Metal angefangen und mich später in die «Neue neue deutsche Welle» verguckt. Es waren aber eher die kleineren Artists, bei denen ich dachte: «Cool, dass du dich das traust, finde ich nice». Darüber bin ich dorthin gerutscht, wo ich jetzt drin bin.

 

Du hattest 2023 mit «Unendlich» quasi über Nacht den Druchbruch. Dabei hat Tiktok eine Rolle gespielt. Was ist dort passiert?

Da muss ich etwas klarstellen. In den Medien wird oft gesagt, dass ich plötzlich bei Tiktok viral gegangen bin. Aber so war es gar nicht. Seit 2022 habe ich jeden Tag Zeit reingesteckt. Dazu noch die Promo-Phase und was sonst dazukommt. Ich finde das sehr wichtig. Deswegen kam das nicht über Nacht, sondern war viel Arbeit, auch an Uhrzeiten, zu denen andere Leute nicht arbeiten. So hat es mit «Unendlichkeit» geklappt und das war ein sehr schönes Gefühl. Aber damit kam einher, was viele Artists in so einem Moment fühlen, die Angst vor dem Wort One-Hit-Wonder. Klar, das war der Break Even Point, aber es ist oft etwas schade, dass die Arbeit, die vorher geleistet wird, untergeht. Für mich als Artist war zudem eher der Song «Vielleicht Vielleicht» der Break Even Point. Zu der Zeit war ich zwei Monate lang stark in mich gekehrt, kämpfte mit Selbstzweifeln und Selbstvorwürfen, weil ich nicht in diesen Bereich eines One-Hit-Wonders geschoben werden wollte. Ich habe mich eine Zeitlang in meinem Zimmer eingeschlossen, gesucht und alles Mögliche probiert und zum Schluss kam aus dem Nichts «Vielleicht, vielleicht». Aber es war auf alle Fälle ein Prozess.

 

 

Musikalisch steht man plötzlich vor der Realität, dass man sagen kann: «Es ist jetzt nicht mehr nur ein Hobby, sondern zum Beruf geworden».

 

 

Ich wollte keineswegs deine Arbeit abwerten, sondern genau auf diesen Moment des Durchbruchs hinaus, wo quasi die Arbeit aufgeht. Mir ist bewusst, wie viel Arbeit drinsteckt.

Alles gut. Ich wollte da nur etwas ausholen. Aber danke von Herzen dafür.

 

Was hat sich seit «Unendlich» für dich verändert?

Das ganze Leben eigentlich. Privat ist die Work/Life-Balance ein Thema, weil ich diese jetzt lernen muss. Musikalisch steht man plötzlich vor der Realität, dass man sagen kann: «Es ist jetzt nicht mehr nur ein Hobby, sondern zum Beruf geworden». Wie man damit umgeht, ist natürlich eine Frage. Aber auch, welches neue Hobby man haben könnte, steht im Raum. Bis heute habe ich keines gefunden. (lacht) Es ist oft so, dass ich von der Musikwelt total fertig bin und in mein Zimmer gehe, dort aber trotzdem wieder Musik mache, weil es mich einfach runterkommen lässt.

 

Wenn du sagst, dass es deine erste Headline-Tour ist, wie hat sich dein Gefühl auf der Bühne im Laufe der Tour verändert? Fühlst du dich sicherer oder kennst du Lampenfieber?

Ich werde vor Auftritten immer müde. Mein Adrenalin verwandelt sich dann irgendwie in Müdigkeit. Einmal habe ich sogar vor einem Auftritt geschlafen und man hat mich zehn Minuten vor dem Konzert geweckt, weil ich auf die Bühne musste. (lacht) Es gibt aber einen Punkt, bei dem meine Resilienz auf ein Level gekommen ist, über den ich sehr froh bin. Ich war dieses Jahr auf dem Deichbrand Festival und zwar an dem Tag, als es europaweit Probleme bei den Flug- und Zugbewegungen gab, wegen Problemen mit einem Softwareupdate. Da war meine ganze Band noch in der Schweiz und konnte nicht nach oben kommen. Also stand ich alleine auf dieser riesigen Bühne, vor circa 6000 Menschen. Nur ich und ein Mikrofonständer. Es hiess dann, «Spiel mal eine Stunde oder so». Natürlich lag die Entscheidung, ob ich auftreten will, bei mir. Aber ich dachte mir, dass ich dieses Limit nicht schon im ersten Jahr erreichen möchte, gerade weil die ganze Arbeit nicht dafür gemacht wurde. Also habe ich diese Stunde durchgezogen und das Feedback war danach sehr schön und hat mir viel Kraft gegeben. Seitdem habe ich gar kein Problem mehr, auf der Bühne zu stehen und kann unfassbar geniessen, was mir die Leute zurückgeben, wenn ich auftrete.

 

Wie geht es für dich nach der Tour weiter? Ist ein Album geplant?

Es sind auf jeden Fall neue Singles geplant für das kommende Jahr. Ansonsten würde ich sagen, einfach überraschen lassen. Aber nach der «Wie weit»-Tour werde ich mich erstmal eine Woche hinlegen. (lacht) Im Frühjahr, ich glaube um den April herum, startet die «Fiebertraum»-Tour und ich freue mich sehr. Was ich den Leuten im nächsten Jahr von mir geben kann, sieht alles sehr schön aus.

 

 

Bäckstage Redaktion / Di, 10. Dez 2024