«Mein erster Musikheld war, ist und bleibt Ray Charles»

Interview mit Patrick Droney
Bildquelle: 
Warner Music (Switzerland) AG

Singer-Songwriter Patrick Droney feiert den Release seines neuen Albums «State of the Heart». Über die Veröffentlichung des ersten, titelgebenden Tracks haben wir bereits berichtet, siehe hier. Nun veriet uns der Musiker unter anderem, weshalb er Hemingway als Vorbild beim Schreiben nimmt, weshalb er Songschreiben mit Fossilienausgrabungen verbindet, welches Lied er mit Ray Charles gerne gesungen hätte und weshalb New York der Hauptprotagonist seines neuen Albums ist.

 

Hallo, wie geht’s?

 

Danke es geht gut, vielen Dank für dein Interesse am Interview.

 

Danke dir für deine Zeit und herzliche Gratulation zum Album «State of the Heart». Am Weekend hatte ich die Chance reinzuhören und es gefällt mir sehr gut. Es ist wunderbar passend für die Zeit, die wir gerade erleben und die es uns möglich macht, über vieles Pre-Covid nachzudenken. Bist du erleichtert, nun da das Album draussen ist oder bist du aufgeregt wie es die Menschen aufnehmen werden?

 

Es ist ein Mix von all diesen Gefühlen. Ich pflege zu sagen, dass das Album sich 28 Jahre in der Enstehung befindet, kurz, mein ganzes bisheriges Leben lang. Ich bin nicht allzu nervös, sondern eher froh, dass ich es nun endlich mit der Welt teilen kann. Es ist, wie du es gesagt hast, eine Reflexion der Vergangenheit und das ist das beste Kompliment, dass ich erhalten könnte.

 

Du hast bereits sehr früh mit der Musik und dem Gitarrenspielen angefangen, standest bereits im Alter von 12 Jahren auf der Bühne mit Grössen wie  James Brown oder B.B. King. Wie bist du zur Musik gekommen?

Ich konnte keinen Sport ausüben aufgrund meiner Erkrankung. Mein Blut gerinnt nicht, deshalb sind sportliche Aktivitäten nicht sehr empfehlenswert für mich. Meine frühsten Kindeheitserinnerungen sind jene wie mein Vater in unserer Küche Gitarre spielte. Über das Gitarrespielen fühlte ich mich sehr mit meinem Vater verbunden, dies hat eigentlich alles ausgelöst. Es wurde zu meiner Liebe, zu meiner Leidenschaft. Ich war selten ohne Gitarre in meinen Händen. Es ist nicht so, als hätte ich mich fürs Musizieren entschieden, es war eher so als hätte ich nie aufgehört zu spielen. (lacht)

 

 

Ich muss mich ab und zu wirklich daran ermahnen, Musik auch einfach nur zu geniessen. Und jedes Stück eines anderen Musikers erinnert mich daran wie viele Entscheidungen pro Song zu treffen sind.

 

 

Dein Vater hat dich auch musikalisch bei  neuen Album unterstützt.

Für den Song «Talk about that» habe ich meinen Vater - aufgrund von Covid - über Facetime angerufen und  wir haben das Gitarrensolo gemeinsam aufgesetzt. Ich spiele Gitarre, weil er Gitarre spielt, deshalb war es eine schöne Art Danke zu sagen für alles, was er für mich getan hat und ihn auch musikalisch dabei zu haben beim Album.

 

Du bist - trotz deines jungen Alters - bereits so lange als Musiker unterwegs. Nimmst du neue Musik als normaler Zuhörer wahr oder meldet sich schnell die innere Stimme des Musikers, der den Song analysiert und überlegt, ob er jenes und dieses gleich arrangiert hätte?

 

Ich denke, es ist effektiv 50/50. Ich muss mich ab und zu wirklich daran ermahnen, Musik auch einfach nur zu geniessen. Und jedes Stück eines anderen Musikers erinnert mich daran wie viele Entscheidungen pro Song zu treffen sind und wie viele verschiedene Menschen mitarbeiten, um gemeinsame Musik entstehen zu lassen. Das achtsame Zuhören bedarf viel Übung. Als professioneller Musiker muss ich lernen auch ab und zu nur Zuhörer zu sein. 

 

Patrick Droney - «Talk About That»

 

 

Inwiefern hat sich die Arbeit an diesem Album anders angefühlt?

Zum einen ist da die ganze Covid-Situation und die Einschränkungen, die sich daraus ergeben haben. Einige Songs habe ich im Keller meiner Eltern eingespielt. Alles war sehr einzigartig und speziell. Zugleich habe ich bei diesem Album versucht so viel wie möglich auszuprobieren. Ich nutzte viel mehr synthetische Instrumente, um Textur und Atmosphäre zu erhalten. Die hybride Zusammenarbeit und der Einsatz von 80er-Jahre-Effekte war spannend, da neu für mich. Ich habe versucht einfach Spass zu haben, neugierig zu sein und auszuprobieren. Und als die Band dann für die letzten zwei Wochen der Aufnahmen wieder physisch an einem Ort war, habe ich auch wieder von neuem gelernt, wie sehr ich das gemeinsame Musizieren liebe.

 

Sprechen wir über das Livemusizieren, über Konzerte. Welches war das beste Konzert das du besucht hast und welches Konzert ist dein liebstes, bei dem du aufgetreten bist?

 

Hmm, sehr coole Fragen. Ich habe bereits recht viele Konzerte besucht. Aber eine Show fiell mir speziell auf. Es war in Los Angeles, im Teragram Ballroom. Eine Band namens Delta Spirits spielte. Es war heiss, schwitzig, jeder tanzte, es lag einfach eine unglaubliche Energie in der Luft, es war fantastisch. Bezüglich meiner eigenen Show. Hmm, das ist schwer, weil jeder Auftritt einigartig ist auf seine Art und Weise. Aber während des College spielte ich im Apollo Theater in New York. Und viele meiner musikalischen Helden spielten mit mir, das war sehr speziell. 

 

Viele deiner Songs haben ihren Ursprung in deiner Zeit in New York. Könnte man New York auch als Protagonist in deinem neuen Album bezeichnen?

Ja, auf jeden Fall. Es ist die Hauptfigur! Es ist eigentlich eine Geschichte, basierend auf drei Städten. Nach New York ging ich nach Los Angeles und von da nach Nashville, wo ich mich zurzeit befinde. Aber für mich ist New York meine Herzensstadt. In keiner anderen Stadt lässt sich die «human condition» besser er- und durchleben. Es passiert so viel Leben in New York. Die Zeit in New York war sehr prägend für mich. Ich schreibe so viel über die Zeit in New York, um die Zeit rückwirkend zu verstehen, den Sinn dieser Zeit zu erfassen. Und ich möchte immer zurück nach New York. Es ist eine Art Liebeslied an New York.

 

 

Mein Vater hat viel Zeit in der Schweiz verbacht, als er in meinem Alter war. Er redet gern und viel über die Zeit.

 

 

Im Song «Talk about that» gibt es diese Zeile «we’re all growing up too fast». Können wir es stoppen?

Wir können es nicht stoppen. Die beste Methode damit fertigzuwerden ist es, aufmerksam und präsent zu sein und jeden Tag als solchen wahrzunehmen und zu schätzen. Für mich besteht ein Grossteil dieses Albums aus Erinnerungen. Wenn du dies aber zu viel machst, also in der Vergangenheit lebst, verpasst du den Augenblick. Es ist eine Übungssache. Es ist taff. Jeden Tag frage ich mich wohin fleigt die Zeit bloss?

 

Wenn du irgendeine/n Künstler*in auswählen könnstest für eine Kollaboration – lebend oder tot – wenn würdest du auswählen?

Wow, coole Frage. Ich denke ich würde meine erste Liebe wählen, das ist Ray Charles. Ich bin Gitarrist, aber mein erster Musikheld war, ist und bleibt Ray Charles. In meinem Traum würde ich mich neben ihn setzen und mit ihm «Georga on my mind» spielen.

 

Sehr toller Song! Du schriebst deine Lieder selbst. Kannst du mir etwas über deine Vorgehensweise erzählen? Nimmst du dir speziell Zeit dafür oder schreibst du wild Ideen auf wenn sie kommen?

Ich denke, es ist ein Chaos von beidem. (lacht) Ich habe Lieder immer wie Fossilien betrachtet und meine Aufgabe ist es, sie auszugraben. Es geht darum zu spüren, wenn sich etwas tut, wann der richtige Moment ist und um den Versuch diesen Moment oder ein spezifischen Gefühl einzufangen. Wenn ich in einen Schreibwahn komme, denke ich immer an Hemingway, der sagte «Schreib nur einen Satz. Schreib den wahrsten Satz, den du kennst». Der Song «Talk about that» ist wohl der aufrichtigste Song, den ich je geschrieben habe. Jeder Satz, jede Strophe verbinde ich mit persönlichen Momenten aus meinem Leben. Der Zug von New York nach L.A. erinnert mich, wie sehr ich meinen Grossvater vermisste, nachdem er starb. Was mich der Song lernte, ist, je spezifischer ich schreibe, desto universeller ist die Bedeutung. Das war eine gute Erfahrung im detaillierten Songwriting.

 

Warst du jemals in der Schweiz?

Nein, ich leider noch nicht. Aber mein Vater hat viel Zeit in der Schweiz verbacht, als er in meinem Alter war. Er redet gern und viel über die Zeit. (lacht) Ich kann es nicht erwarten, meine eigenen Erfahrungen zu machen und in der Schweiz aufzutreten.

 

 

Tanja Lipak / Di, 01. Jun 2021