Jamie Lawson: Ein Lächeln kann unser ganzes Leben verändern

Interview mit Jamie Lawson

Unter Vertrag bei Ed Sheeran, auf Tour mit One Direction, das eigene Album auf Platz eins der Britischen Album Charts, bald Doppel-Platin in Australien.  Dies sind nur ein paar der Erfolge und Highlights, welche sich Jamie Lawson zuschreiben kann. Mit Bäckstage sprach er unter anderem über seine Zusammenarbeit mit Ed Sheeran, das neu erschienene Album «Jamie Lawson» und über den Song, der den Zuhörern aus schwierigen Lebenssituationen helfen soll.

 

Jamie, danke, dass du dir heute Abend Zeit nimmst. Du bist ein Singer-Songwriter aus England. Wie würdest du dich und deine Musik beschreiben?

Was ich in erster Linie mache, ist Folk-Musik, also Songs mit Geschichten im Hintergrund. Ich denke, es ist ein bisschen mehr als nur Folk-Musik. Meine Musik ist moderner und beinhaltet mehr Pop.

  

Woher nimmst du die Ideen für deine Musik? Baust du auf persönlichen Erlebnissen auf oder kommen dir die Geschichten einfach in den Sinn?

Ich nehme sie von überall her oder bekomme sie von überall. Einige sind sehr persönlich und in Bezug auf das Album … (Er macht eine Pause) … okay, jetzt muss ich nachdenken, was alles auf dem Album ist.

 

Ich habe ein Beispiel – in deinem Song «Wasn’t Expecting That» singst du von unerwarteten Dingen. Wenn man sich das Video dazu ansieht, denkt man schnell, dass es von einer Lebens- und Liebesgeschichte eines Paares handelt. War das deine Absicht oder steckt etwas ganz anderes hinter dem Text?

Nein, der Song ist wirklich eine Liebesgeschichte, vom Anfang bis zum Schluss. Die Idee war, unser ganzes Leben in einen dreiminütigen Song zu verpacken. Das ist mir jedoch total misslungen, denn der Song dauert 3min 30, also hab ich ein bisschen mehr Zeit dazu benötigt (lacht). Ich mag die Vorstellung, dass man im Leben überrascht wird. Wir sind in der Lage, mehr als nur einmal zu lieben. Oder ein Lächeln, welches aus dem Nichts kommt, kann unser ganzes Leben verändern und das ist sehr schön.

 

Da stimme ich dir zu, der Song sagt sehr viel aus. Was ist mit dem Lied «Sometimes It’s Hard»? Es scheint ein sehr emotionaler Song zu sein.

Ja, das ist er. Man kann irgendwie sagen, dass es die Fortsetzung von «Wasn’t Expecting That» ist, da der Song von Traurigkeit handelt. Der Song wurde nicht aus einer traurigen Stimmung geschrieben, aber man kann es durchaus so interpretieren. Er sagt grundsätzlich: «Jetzt magst du wohl traurig sein, aber es wird vorbei gehen. Bleib wo du bist, stell dich der Situation und sei stark» – das soll dir der Song übermitteln. Im Lied findest du eine Zeile, welche eine schwierige Situation mit Regen vergleicht (Jamie meint «rain that falls it has to pass and the sun it will shine again», Anm. der. Red.). Wenn du unter Depressionen oder Traurigkeit leidest, fühlt es sich an, als ob es für immer anhält. Aber dies tut es nicht, es geht vorbei.

 

 

 So ist das Leben; man muss nur mutig genug sein, darüber zu sprechen.

 

 

Es kann gut sein, dass dieses Lied den Leuten Halt gibt und aus schwierigen Lebenssituationen hilft.

Ja, hoffentlich. Hoffentlich spendet es ein bisschen Trost.

 

Gibt es auf deinem neuen Album ein Thema, worüber es schmerzhaft war zu schreiben?

«Sometimes It’s Hard» ist der Song, auf den ich am meisten stolz bin. Es ist nicht unbedingt schwierig, über etwas zu schreiben, aber es ist ziemlich wichtig für mich. Auf dem Album sind keine Lieder, bei denen es mir schwer fiel, sie zu schreiben. Glücklicherweise ist es nicht so, dass ich etwas Schlechtes erlebt habe und dann das Gefühl hatte, darüber schreiben zu müssen. 

 

Gibt es Themen, die du bei deinem Songwriting meidest?

Das weiss ich nicht. Ich muss damit konfrontiert werden. Es gibt einen früheren Song von mir, den ich aus Sicht eines Mörders geschrieben habe, was ziemlich ungewöhnlich ist. Oder auch «Wasn’t Expecting That»: er erzählt eine schöne Liebesgeschichte und einer stirbt am Ende. Ich denke, ich war ziemlich mutig, den Song so zu schreiben. Es ist irgendwie ein ziemlich kitschiges Lied daraus entstanden: es klingt ein bisschen zu schön, ein bisschen zu glücklich und dann stirbt jemand – ich glaube nicht, dass andere Leute das getan hätten. Aber so ist das Leben; man muss nur mutig genug sein, darüber zu sprechen.

 

Um zu deinem Album zurück zu kommen: Dein Album war an der Spitze der Britischen Album Charts. Herzlichen Glückwunsch dazu!

Ja, das ist fantastisch, danke.

 

Was war dein erster Gedanke, als du das realisiert hast?

Dass es nicht wahr ist. Dass jemand lügt (lacht). Weisst du, es ist merkwürdig. Sie sind unter der Woche zu mir gekommen – bevor das Album offiziell die Nummer eins war – und haben gesagt: «Es wird wahrscheinlich auf Platz eins landen.» Ich habe es nicht wirklich geglaubt, bis zu jenem Tag, an dem es wirklich passiert ist und selbst dann konnte ich es nicht glauben. Ich habe es erst realisiert, als ich in den Plattenladen «HMV» in Newcastle ging und ich es mit eigenen Augen gesehen habe: mein Album auf Platz eins und somit vor Ed Sheeran.

  

Das kann ich mir gut vorstellen. Wie hat Ed darauf reagiert?

Er war sehr glücklich darüber. Ich meine, die Tatsache, dass er auf Platz zwei ist, ist immer noch sehr cool für ihn.

 

Wie wichtig ist für dich sein Support? Wie hilft er dir?

Naja, ich wäre nicht da, wo ich bin, wenn Ed nicht wäre. Er ist eine entscheidende und massive Unterstützung. Mit 24 Jahren dein eigenes Record-Label zu gründen, ist ein ziemlich grosses Ding. Jemandem eine Chance zu geben, von dem Ed denkt, er hätte schon viel früher eine Chance erhalten müssen, ist zudem sehr mutig von ihm. So setzt er auch seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Aber es läuft gut und Ed unterstützt mich fantastisch.

 

Also habt ihr zwei auch privat eine gute Beziehung?

Ich sehe ihn nie aus einem anderen Grund, als unsere gemeinsame Arbeit. Er ist ein beschäftigter Mann und ich jetzt auch, dank ihm. Also sehe ich ihn eigentlich kaum (lacht).

  

 

Eine schwierige Situation lässt sich mit Regen vergleichen. Wenn du unter Depressionen oder Traurigkeit leidest, fühlt es sich an, als ob es für immer anhält. Aber dies tut es nicht, es geht vorbei.

 

 

Kommen wir zum Ursprung zurück, zu deiner Musik: wann war das erste Mal, dass du eine Gitarre in die Hände genommen und gespielt hast?

Da war ich acht Jahre alt. Ich habe mir damals eine Gitarre zu Weihnachten gewünscht, eine bekommen und habe in der Primarschule spielen gelernt.

 

Warst du vom ersten Moment an davon begeistert?

Ich habe während zwei, drei Jahren gespielt und dann für ein paar Jahre aufgehört. In der Sekundarschule bin ich dann zur Schulband gegangen, weil sie hörten, dass ich Gitarre spielen kann. Dies war der Moment, als ich wieder begonnen habe.

 

So kam das Spielen vor dem Singen?

Ja, genau.

 

Und wann hast du mit dem Singen begonnen?

Ich würde sagen, etwa zur selben Zeit. Die Schulband suchte einen Sänger, also nutzte ich die Chance, weil mir das Singen Spass machte.

 

Was ist dir wichtig, wenn du einen Song schreibst? Hast du ein Ritual?

Nicht wirklich. Ich brauche einfach meinen eigenen Platz. Oft schreibe ich, während ich fernsehe, denn dann denke ich nicht darüber nach, was ich mache. Wenn ich mich mit etwas anderem ablenken kann und dann beginne, Gitarre zu spielen, liegt der Trick dabei, dass die Gitarre wieder meine Aufmerksamkeit gewinnen kann. Manchmal spiele ich dann eine Abfolge an Akkorden, welche ich normalerweise nicht spiele, und dann ist’s passiert.

 

Du warst neulich auf Tour mit One Direction. Wie war es, mit ihnen unterwegs zu sein?

Es war wirklich gut. Ich wusste zuerst nicht, was die Fans von einem Solo-Akustik-Act halten werden, aber sie mochten meine Musik. Ich bin sehr froh, dass ich diese Tour gemacht habe.

 

Letztes Jahr warst du mit Ed Sheeran unterwegs. Welches ist der grösste Unterschied von seinem Publikum zu jenem von One Direction?

Das ist eine gute Frage. Vor der Tour mit One Direction habe ich gedacht, dass sich Ed’s Fans mehr für seine Musik interessieren und sich intensiver damit beschäftigen, worum es geht. Aber jetzt, wo ich die Tour mit One Direction gemacht habe, bin ich mir nicht mehr sicher, ob das so ist. Auch die One-Direction-Fans mögen die Jungs aufgrund der Musik und nicht nur wegen den Jungs selbst. Klar, da waren tausende von Teenager-Mädchen und du kannst dir nicht vorstellen, wie laut sie kreischen können, aber sie mögen dennoch die Musik und das ist das Schöne daran. Ich habe von beiden Publika eine wundervolle Reaktion auf meine Musik bekommen und ich schätze mich sehr glücklich, dass ich diese beiden Tourneen machen konnte.

 

Was magst du am meisten am Touren?

Die Songs zu singen, das Spielen selbst und die Auftritte sind wahrscheinlich das Beste daran. Das Reisen kann sehr anstrengend sein, aber die Gigs sind spitzenmässig.

 

Letztes Jahr, als du auf Tour warst, bist du nach deinen Auftritten rausgekommen, um dich mit den Leuten zu unterhalten. Machst du das immer noch?

Ja, wenn ich kann. Es kommt darauf an, wie gross die Locations sind und ob ich eine Chance habe, überhaupt zu den Leuten zu gelangen. Aber ja, ich versuche, dies weiterhin zu tun. Es ist schön, so etwas zu machen.

 

Ich habe gesehen, dass du an deinen Shows oft Video-Selfies machst.

Oh ja, ich habe es nicht an jeder Show gemacht, aber an den grössten. Auch an meinen eigenen, aber das funktioniert nicht immer, denn da hab ich oft ein etwas kleineres Publikum (lacht). 

 

Jamie Lawson - «Wasn’t Expecting That»

 

  • Jamie Lawson spielt am 18. November 2015 im Exil in Zürich. 
  • Weiter Infos zu Jamie gibt es auf seiner Website.

 

Rahel Inauen / Mi, 18. Nov 2015