blues’n’jazz Festival 2012: beeindruckend und friedlich

Festivalkritik: blues'n'jazz Rapperswil
Bildquelle: 
www.bluesnjazz.ch

Es ist einer der heissesten Tage in diesem Jahr – 34 Grad, blauer Himmel und die Sonne brennt. Bereits fünf Stunden vor den ersten Konzerten kündigt sich eine freundliche Atmosphäre an. Überall stehen Marktstände und es riecht nach leckerem Essen. Die Helfer des Festivals bringen, holen, tragen und bauen. Es wird geschwitzt, gewitzelt und gelacht. Und während sich die Altstadt allmählich in einen Musikschauplatz verwandelt, trifft man den einen oder anderen Musiker auf einem Spaziergang.

 

Allein die Kulisse ist eine Reise nach Rapperswil wert.

 

Inzwischen ist es sieben Uhr abends und immer noch brütend heiss. Am Seeufer vor der nachgebauten Fassade des legendären «Blue Front Cafe» – das Original steht im Hippie-Viertel Haight Asbury in San Francisco – gibt ein farbenfrohes italienisches Quartett den Auftakt des ersten Festivalabends. Veronica & The Red Wine Serenaders spielen neu aufgemachten Delta Blues. Waschbrett, Kazoo, Ukulele, Kontrabass und Gitarre begleiten Veronica Sbergias quirlig erzählende Stimme. Als wohl der weltbeste Ukulele-Spieler wird Max De Bernardi auf der Bühne angepriesen und zur Belustigung des Publikums zeigt er mutig wie sich «Smoke on the Water» von Deep Purple auf seiner Mini-Gitarre anhört. Lockerer, von italienischem Charme umgarnter Blues, der Gemüter erheitert.

 

Rudy Rotta lässt es krachen

 

Auf dem Hauptplatz geht es etwas lauter zu und her. Der Blues-Gitarrist und Sänger Rudy Rotta mischt seiner Musik funkige Töne bei und zeigt ganzen Körpereinsatz während er auf seiner Gitarre spielt. Der gebürtige Italiener macht Musik, bei der es unmöglich ist, still zu stehen und so bewegt sich die ganze Meute vor der Bühne und jubelt begeistert. Der nass geschwitzte Blueser weist zwischendurch lachend auf sein neustes Merchandising-Produkt hin: «Rudy Rotta Olivenöl». Bella Italia zum Zweiten und auch dies, ein absoluter Ohrenschmaus.

 

Schweizer Leidenschaft: William White in concert.

 

Es ist etwas später am Abend und immer noch sehr warm. Auf dem Fischmarktplatz musizieren heute William White und seine Band zu acht. Das blues’n’jazz sei deshalb etwas Spezielles für sie, so White freudig vor dem Auftritt, denn so oft würden sie nicht in Vollbesetzung auftreten und heute werde er erfahren, ob das Zusammenspiel seiner Mannschaft immer noch funktioniert. Trompete, Saxophon, Perkussion, Drums, Bass, Gitarre, Keyboard, akustische Gitarre und Gesang: so prächtig diese Aufstellung, so überzeugend dann auch der Auftritt. «Let It Sink In» fällt nicht schwer: Man umarmt sich, schaukelt und klatscht gelöst im Takt. Mit Soul, Reggae, Funk und Blues von leidenschaftlichen Musikern gespielt, erlebt das Publikum von William White an diesem Abend ein geniales Konzert.

 

Zakiya Hooker hat eine Stimme, die man wieder hören will

 

Zur selben Zeit wird am Seequai sanfter klassischer Blues gespielt. Die Tochter von John Lee Hooker, Zakiya, steht mit ihrem Mann, dem Bassisten Chris James und dem Rest der Band auf der kleinen Bühne. Mit «Cold Cold Feeling» von T-Bone Walker, vermag aber auch sie die Hitze nicht zu vertreiben. Wie könnte sie, die herzliche 64 Jährige, mit ihrem warmen Lachen. Ihr Song «Keeping It Real» zaubert dennoch eine Sommerbrise herbei und die Zuschauer geniessen es sichtlich. Zakiya Hooker mag das Schweizer Publikum, es schätze gute Musik, verrät sie am Nachmittag (Interview folgt). Eine sympathische Musikerin mit einer offenen Stimme, die man so schnell nicht vergisst.

 

Bild 1: Gute Gene hat Zakiya Hooker von ihrem Vater, der Blueslegende John Lee Hooker. / Bild 2: Konnte nur bedingt überzeugen: Beverley Knight. (Mit Maus über Bild fahren) 

 

Um elf Uhr setzt Beverley Knight am Hafen ihr Mikrofon an. Sie zeigt eine unglaubliche Präsenz und beeindruckt mit ihrem gewaltigen Stimmvolumen. Die Bläser lässt sie an diesem Abend zu Hause, Saxophon und Trompete sind nicht live. Nebst alten, funkigen Songs wie «Get up!» und «Made It Back», bringt sie auch ruhige, eher süsse Soulballaden ihres neuen Cover-Albums «Soul UK». «Southern Freeez» von Freeez und «Fairplay» von Soul II Soul reissen nicht richtig mit. Gewaltig aber auf jeden Fall ihre Stimme und auch wenn das Publikum nicht tobt – Beverley Knight ist und bleibt Beverley Knight.

 

 

 

Popa Chubby ist ein Meister der Gitarre

 

 

Es ist kurz vor Mitternacht und der Platz vor dem Rathaus ist gestossen voll. Popa Chubby sitzt auf seinem Hocker und bringt die Zuschauer gemeinsam mit einem Drummer und einem Bassisten regelrecht in Ekstase. Er zieht die Finger über den Hals seiner Gitarre als hätte er noch nie etwas anderes getan. Laut, rockig, bluesig, aber auch sanft, ruhig und fein zeigt dieser Mann das breite Spektrum seines Könnens. So spielt er nebst kraftvollen Songs wie «Pound of Flesh» und «She Loves Everybody but Me», ein beinahe liebliches Cover von «Somwehere over the Rainbow» und lässt dabei seine Gitarre wie eine Violine klingen. Schlicht atemberaubend, was wir da zu hören kriegen. Ein eindrücklicher Festivalabend geht zu Ende mit einem fantastischen Musiker, auf den «aussen hart und innen weich» definitiv zutrifft. 

Damaris Trüb / Mi, 04. Jul 2012