Der Herr der Knöpfe

Bäckstage: Die Arbeit eines Tontechnikers
Andi Torresani hinter dem Mischpult
Bildquelle: 
Patrick Holenstein

Für den Konzertbesucher beginnt der Abend in der Regel gegen 20 Uhr. Dann, wenn die Bühne bereit, der Barkeeper auf dem Posten und der Security-Man an der Tür ist.

Ist man Tontechniker, muss man am Konzerttag schon deutlich früher ran. Andi Torresani (26) arbeitet seit 1,5 Jahren für den Musik-Club «Abart» in Zürich. Heute ist Samstag, der 17. Dezember. Am Abend spielt Frank Turner mit seiner Band «The Sleeping Souls» im ausverkauften Club. Andi ist seit 13 Uhr vor Ort.  Eine Stunde später treffe ich ihn. Fast gleichzeitig rollt ein grosser blauer Bus vor. Ihm entsteigen flugs Frank Turner samt Band. Zurück bleiben zwei englische Helfer und Andi, die zusammen innert kürzester Zeit die Instrumente und Verstärker aus dem Anhänger in den Club schleppen.

 

«we don’t like nasty surprises»


«Die Band hat einen eigenen Soundtechniker und auch ein eigenes Monitoring-System», erklärt Andi. Das ist bei bekannteren Bands die Norm. Andi ist in diesem Fall mehr Support und wird während des Konzertes nicht allzu viel zu tun haben. Die aufwendigste Arbeitsphase ist sowieso der Aufbau. Hier packt Andi kräftig mit an. Er überfliegt kurz ein an mehreren Orten herumliegendes, mehrseitiges Dossier - beschriftet mit FRANK TURNER. Ich erhasche einen kurzen Blick darauf, verstehe aber nicht allzu viel. Die Papiere sind gespickt mit technischen Anweisungen, Abbildungen von Anschlüssen und zig Abkürzungen. Ich kann lediglich etwas mit «we don’t like nasty surprises» und «we are looking forward to working with you» anfangen. Andi versteht glücklicherweise auch den Rest. Nach der Lektüre weiss er, wie die Instrumente aufgebaut und welche technischen Utensilien benötigt werden.

Eine Ausbildung zum Tontechniker hat er nicht. «Ich studiere Geschichte und bin in die Tontechnik mehr so reingerutscht», erzählt der Herr der Knöpfe, während er mit Kabelrollen hantiert. Angefangen hat der Student vor sechs Jahren ganz unspektakulär als sogenannte Stagehand. Bedeutet: Zuständig für den Auf- und Abbau auf der Bühne. Heute ist Andi nebst den Konzerten im «Abart» auch für diejenigen in der «Hafenkneipe» zuständig. «Ich  kann selber eintragen, wann ich arbeiten will.» Für ihn ist das der ideale Nebenjob.

 

Der Tontechniker muss immer souverän sein


Andi hört aber nicht nur viel Musik, er macht auch selbst welche. Er spielt in seiner eigenen Band Bass. «Das hilft natürlich, da man so ein feineres Gehör entwickelt.» Und ausserdem «kann ich mich so auch besser in die Musiker hineinversetzen.» In seiner Arbeit schadet eine Prise psychologischen Geschicks nicht. «Man muss auf die Leute zugehen, sie auch ein wenig hätscheln und vor allem einen souveränen Eindruck machen.» Hat eine Band das Gefühl, dass der Tontechniker keine Ahnung hat, kann sie schnell unangenehm werden. «Die meisten Musiker sind aber sehr unkompliziert und lassen mich in Ruhe meine Arbeit machen.», erzählt Andi.

 

Mittlerweile ist das Monitoring-System aufgebaut. Der Tontechniker reguliert am kompliziert aussehenden Mischpult den Sound für das Publikum. Jedes Instrument hat einen oder mehrere Kanäle. Die meisten Kanäle hat das Schlagzeug mit seinen Trommeln und Becken. Dank den einzelnen Kanälen können Klang und Lautstärke genau reguliert werden. Die Mischung aller Instrumente muss für das Zuhörer-Ohr gut klingen. In der Schweiz darf die Lautstärke von 100 dB nicht überschritten werden. Während des Konzertes wird die Lautstärke permanent aufgezeichnet – das ist Vorschrift und wird von Zeit zu Zeit von der Lärmschutz-Behörde kontrolliert. «Wenn die Verstärker auf der Bühne aber schon zu laut eingestellt sind und der Schlagzeuger dazu auch noch laut spielt, kann ich am Mischpult nicht viel dagegen tun», sagt Andi.

 

Holzinstrumente pfeifen schneller



Schwierig einzustellen sind vor allem akustische Instrumente wie Gitarre und Violine. «Deren Holz- und Resonanzkörper transportieren die akkustischen Schwingungen anders als elektrische Instrumente. Es kann zu einer Rückkoppelung kommen. Das ist ein für das Ohr unangenehmes Pfeifen.» Das Schlimmste, was während des Konzertes passieren kann: «Wenn die Technik aussteigt. Dann muss ich rasch den Fehler finden, da das Publikum wie auch die Band schnell nervös und ungeduldig werden.» Am heutigen Abend läuft aber alles reibungslos. Sobald das Konzert zu Ende ist, muss Andi nochmals Vollgas geben. Ihm bleibt nur eine Dreiviertelstunde Zeit, um alles abzubauen. Dann fängt im Club der Partybetrieb an.

Linda von Euw / Mo, 19. Dez 2011