Wir waren schlecht und kamen durch, weil alle stoned waren

DVD-Kritik: Pink Floyd - Behind The Wall
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Impuls Film

«Behind the Wall» heisst eine neue Dokumentation, die sich mit der grössten Progressiv-Rockband der Musikgeschichte beschäftigt: Pink Floyd. Gleich zu Beginn spricht Rick Wright, der inzwischen an Krebs verstorbene Keyboarder: «Ich werde mich immer an Pete Murray erinnern. Er sagte damals: Diese Band wird zwei Wochen durchhalten und das war es dann.» Wer Pete Murray ist, beantwortet der Film indes nicht. Somit wird schon früh eine stilistische Schwäche deutlich. Die erzählenden Personen werden zu wenig klar betitelt. Das fängt schon bei den Bandmitgliedern an. Davon ausgehend, dass nicht jeder Zuschauer mit Pink Floyd vertraut ist, genügen die Namen alleine nicht. Die Funktion innerhalb der Band wäre unter dem Namen stehend eine grosse Hilfe. Zum Teil sind die Weggefährten, die zu Wort kommen, überhaupt nicht mit Namen angeschrieben. 

 

Sinnvoll im Kontext der Bandgeschichte

 

Darüber einmal hinweggesehen ist eine Dokumentation über Pink Floyd nicht so einfach. Eine gut vier Jahrzehnte dauernde Karriere in 76 Minuten zu packen ist eine Herkulesaufgabe. Wo fängt man an? Wo legt man die Schwerpunkte? Macht eine chronologische Vorgehensweise Sinn? Welche Ereignisse können weggelassen werden? Sonia Andersen hat sich offenbar so ihre Gedanken gemacht und diese sind meistens nachvollziehbar, insbesondere, wenn sie ihren Film in den zeitgeistigen Kontext der Bandgeschichte legt. 

 

Die Regisseurin konzentriert sich in der ersten Stunde des Films auf die Anfänge der Band, beleuchtet von Drogen dominierte Exzesse, zeigt das Leben und Umfeld der Band und legt den Fokus auf die 60er-Jahre. Nun war natürlich der Zeitgeist von damals unbestritten wichtig für Pink Floyd und ohne darüber zu sprechen, lässt sich die Entwicklung der Band gar nicht klar aufzeigen. Einerseits waren die damaligen sozialen Konstrukte und Gesellschaftsformen wichtig für die psychedelische Richtung, die Pink Floyd gegangen sind, also den Ausbruch aus den Normen, die ausufernden Instrumentalparts zum Beispiel. Andererseits war in den späten 60ern die kreativ spannendste Phase, also jene als Sid Barrett noch nicht psychisch erkrankt und noch Mitglied der Band war. Daneben spielen LSD und die Entwicklung der Undergroundbewegung in England im Film eine Rolle. 

 

«Wish You Were Here» für Sid Barrett

 

Für alle diese Mosaiksteinchen nimmt sich der Film viel Zeit. Das ist einerseits narrativ nachvollziehbar, lässt aber leider wenig Zeit für die Karriere der Band ab den 70ern. Das ist schade, gerade weil die erste Stunde für Fans von Pink Floyd zwar interessant ist, aber wenig Neues hergibt. Viel spannender wäre es gewesen, wenn man auch Einblicke hinter die Meilensteine der Band wie «Dark Side Of The Moon» oder «Wish You Were Here» und «The Wall» bekommen würde. Letzteres wird kurz gestreift, zeigt aber nur, was möglich gewesen wäre. So verpasst der Film leider die Chance auch langjährige Fans zu begeistern. Ausser einigen schönen frühen Konzertaufnahmen ist nicht viel Neues dabei. Und spätestens wenn David Gilmour sichtlich berührt von Sid Barrett erzählt und für ihn eine akustische Version von «Wish You Were Here» spielt, wird deutlich, welche Chance vergeben wurde. Denn die drei noch lebenden Bandmitglieder haben bereitwillig und sehr ehrlich Auskunft gegeben und es hätte sich ein lückenloses Gesamtbild kreieren lassen. 

 

Und um dies nochmals zu verdeutlichen, soll der Kreis mit Autodidakt Rick Wright geschlossen werden: «Vieles was wir damals spielten, war richtig schlecht. Ich vermute, wir kamen damit nur durch, weil der grösste Teil des Publikums stoned war.»

 

  • Pink Floyd - Behind The Wall
  • Regie: Sonia Andersen
  • Mit Pink Floyd und Weggefährten
  • Laufzeit: 76 Minuten
  • DVD-Start: 28. Juni 2012
Patrick Holenstein / Sa, 07. Jul 2012