Hetzjagd auf einen Unschuldigen

Moviekritik: Jagten
Bildquelle: 
Frenetic Films

Thomas Vinterberg, der Mann, der gemeinsam mit Lars von Trier die Dogma-Manifeste verfasst hat, knüpft mit «Jagten» thematisch bei seinem Film «Festen» an. «Festen» drehte sich um ein Familienfest, bei dem sich langsam herauskristallisiert, dass der Vater zwei seiner Kinder sexuell missbraucht hat. Bei «Jagten» geht es um das gleiche Thema, nur in einer 180 Grad anderen Herangehensweise. 

 

Bild 1: Die kleine Klara hat keine Ahnung, welche Ereignisse sie ausgelöst hat. / Bild 2: Klaras Vater und bester Freund von Lucas zweifelt keine Sekunde an seiner Tochter. (Mit Maus über Bild fahren)

 

Lucas ist Kindergärtner in einer dänischen Kleinstadt. Er ist gut in die Gemeinde integriert, alle Menschen mögen ihn, er kümmert sich liebevoll um die Kinder und bringt die kleine Klara sogar nach Hause, als sie sich verirrt hat. Klara mag Lucas so sehr, dass sie ihm ein Herz bastelt, das er aber ablehnt, sie solle es einem Jungen aus dem Kindergarten schenken. Am gleichen Tag überrumpelt ihr grosser Bruder Klara mit Pornoausdrücken, die sie im Kindergarten der Leiterin in einer stillen Minute erzählt. Geschockt fragt diese, woher sie solche Ausdrücke hat. Klara beginnt von Lucas zu sprechen und die Leiterin zieht sofort ihre Schlüsse. 

 

Kaum jemand glaubt an Lucas‘ Unschuld

 

Sie informiert die Behörden und die Eltern. Lucas ist ab sofort Persona non grata, obwohl er – da lässt der Film keinen Zweifel – unschuldig ist. Er wird entlassen, beim Einkaufen verprügelt und sein geliebter Hund wird erschossen. Selbst als die Polizei sämtliche Beweise für unglaubwürdig erklärt, glaubt ihm niemand. Lucas ist für alle nur der Kinderschänder. Nur sein Sohn Marcus und dessen Patenonkel glauben an Lucas‘ Unschuld. 

 

Bild 1: Sohn Marcus hält noch zu Lucas. / Bild 2: Der von den Ereignissen gezeichnete Lucas.

 

Was uns Thomas Vinterberg da vorsetzt, ist keine leichte Kost. Man fragt sich ständig, wie man selbst reagieren würde und das ist das Perfide am Film: er hält einen Spiegel vor unsere Nase. Was der Film zeigt, könnte jederzeit und überall passieren. Bis hin zur Hetzjagd und den Prügeln. In kühlen Bildern und langen Einstellungen wird die Geschichte von Lucas eingefangen und es gelingt das Kunststück, dass nie klar ist, wie der Film enden wird. Zwar sind ein, zwei Kataphern versteckt, aber die sind so schwierig zu deuten, dass alles offen bleibt. 

 

Besonderes Lob gebührt Mads Mikkelsen in der Rolle als unschludig Verdächtiger. Der Film nimmt sich viel Zeit, um zu zeigen, was wasserdicht klar ist: Lucas ist ein guter Mensch. Mikkelsen spielt den Lucas mit so viel Ausdruck zwischen Wut und Verzweiflung, dass er einem richtig leid tut. Der Gedanke, zu was Menschen fähig sind, wenn sie nicht mehr klar denken können, lässt einem auch nach den Credits von «Jagten» für lange Zeit nicht los.

 

  • Jagten (Dänemark, 2012)
  • Regie: Thomas Vinterberg
  • Drebuch: Thomas Vinterberg, Tobias Lindholm
  • Darsteller: Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen, Annika Wedderkopp
  • Laufzeit: 111 Minuten
  • Kinostart: 31. Januar 2012
Patrick Holenstein / Mi, 30. Jan 2013