Giving is the living

Moviekritik: Contradict
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Filmplakat © Prosafilm

Was ist los mit unserer Welt? Wer bestimmt? Wer sagt, wie die Welt läuft? Warum sagt niemand etwas? Und wie sehen Menschen auf anderen Kontinenten diese Frage? Diese und weitere Punkte wirft eine sanfte Männerstimme zu Beginn des Films auf. Danach kommen ausschliesslich die kreativen Menschen aus Ghana zu Wort. Afrika sei im Kommen, muss als Begründung für die Wahl des Schauplatzes reichen. Tut es aber im Film von Peter Guyer und Thomas Burkhalter auch.

 

Wir lernen direkt zwei der Musiker kennen, wie sie auf dem Markt für America (womit wohl die USA gemeint sind) sammeln. Schliesslich soll man America helfen, wie ein Song erklärt. «America hat nichts, tatsächlich ist America Nonsens. Unser Präsident sollte sie ein oder zwei Dinge über Demokratie lehren. Schickt unsere Wahlkommission, um ihre nächsten Wahlen zu überwachen. Schliesslich müssen wir America helfen.» Klare Worte zwischen Ironie und präziser Kritik.

 

M3nsa, Wanlov The Kubolor aka FOKN Bois sowie Adomaa, Worlasi, Akan, Mutombo Da Poet und Poetra Asantewa haben für «Contradict – Ideas For A New World» eigens neue Songs geschrieben und Videoclips produziert. Dazwischen erzählen sie authentisch aus ihrem Leben und von ihren politischen, philosophischen und grundmenschlichen Gedanken. Diese intimen Einblicke in die Gedankenwelt macht die Personen im Dok-Film greifbar. Der Film zeigt eine Spanne von vier Jahren zwischen 2013 und 2017 und wie sich die Einstellungen auch mal ändern. So verkündet M3nsa in einer Radiosendung live, er werde aufhören, kritische Songs zu schreiben. Er hat – völlig menschlich – resigniert und will sich um die Familie kümmern. Irgendwann gehen die eigenen Kids eben vor. Man sieht den Augen des Rappers in diesen Sekunden aber durchaus an, wie schwer ihm die Entscheidung gefallen ist.

 

Zwischen Hoffnung und Resignation

 

Der Film erzählt von Hoffnung und Resignation. Einer der Rapper sagt, man würde auf der Welt denken, dass sie in Ghana noch auf Bäumen leben würden. Dem ist natürlich nicht so. Im Gegenteil. Alle portraitierten Personen scheinen aus der Mittelschicht zu stammen. Sie sind gebildet, durchaus fähig, sich mit den Themen der Welt wie Armut, Klimawandel, Globalisierung, Kapitalismus oder den politischen Wirrungen fair und sachlich zu beschäftigen. «Nichts wird sich ändern. Wer Geld hat, hat Macht und bestimmt», sind sich die Rapper sicher. Das hat eine gewisse düstere Dramatik, zeigt gleichzeitig aber wie intensiv sich die Künstler mit der Welt beschäftigen. Sie nennen den Lieblingsfeind USA Mörder und bringen als Beispiel dafür den Vietnamkrieg, Saddam Hussein oder Osama Bin Laden. Natürlich sind die letztgenannten keine Unschuldslämmer, was sich die Rapper durchaus bewusst sind. Für sie gilt die nicht ganz so ernstgemeinte Devise «Giving is living».

 

Die Truppe ist aber keineswegs ein Trübsal blasender Haufen, sondern schätzt die Möglichkeiten, die sie hat, durchaus. So könne man heute seine Musik mit einem Smartphone und etwas Megabytes global verbreiten. Videoclips werden mit Drohnen mit wenig Aufwand so gedreht, dass sie professionell wirken. Aber gerade die junge Afro-Jazzerin Adomaa nutzt ihre Musik und die damit verbundene Aufmerksamkeit zusätzlich für sehr persönliche Themen. Etwa die Hautfarbe, auf die sie stolz sei und sich nicht mehr dafür verstecke, wie es ihr früher gesagt wurde. Die Künstlerin ist wortgewandt und mit ihren Songs erfolgreich, sammelt im Netz fleissig Klicks und wird auf der Strasse erkannt, was ihr nicht immer angenehm ist.

 

Spannender Einblick in blühende Musikszene

 

Die Musikertruppe eint die Liebe zum Rhythmus und zur Gelegenheit, philosophische Gedanken über das Leben in Lyrics zu packen. «Kleine Dinge führen zum Krieg», «Jeder will das, was er nicht hat und niemand will schwitzen». Kluge Gedanken zu kritischen Punkten. Auf der ganzen Welt gültig. Der Film erklärt aber auch nie bewusst, wieso gerade diese sechs Personen als Sprachrohr gewählt wurden und wieso gerade Ghana die Bühne ist. Denn im Grunde unterscheiden sich die Gedanken nicht gross von jungen Menschen auf anderen Kontinenten. Vielleicht ist genau das die Quintessenz von «Contradict». Der Film klammert aber auch aus, ob in Ghana ein Gedankengut besteht, das Trump und Co. durchaus etwas abgewinnen kann. So könnte man wahrscheinlich in Kulturszenen auf allen Kontinenten Leute mit ähnlichen Gedanken finden. In einer global vernetzten Welt ist das keine Hexerei. Das schmälert die Aussagen der Musiker aber nur marginal. Zudem ist da noch die zweite Ebene des Films, der spannende Einblick in eine blühende, kreative Musikszene.

 

Zum Schluss sagt der Treadlocks tragende Wanlov: «Heute wird viel geredet und nichts Positives ist passiert. Je weniger wir reden, desto besser können wir unser Inneres selbst wieder hören und unseren Kompass finden.» Die Erkenntnis wirkt wie ein Fazit der mentalen Reise.

 

«Contradict» lädt in die Gedanken junger Menschen aus Ghana und ihre Gedanken zum Entwurf der Welt, wie sie gerade ist. Der Film zeigt aber auch eine pulsierende Musikszene. Diese beiden Ebenen machen ihn interessant.

 

  • Contradict - Ideas For A New World (Schweiz 2019)
  • Regie: Peter Guyer, Thomas Burkhalter
  • Personen: Fokn Bois, Adomaa, Worlasi, Akan, Mutombo Da Poet, Poetra Asantewa
  • Laufzeit: 90 Minuten
  • Kinostart: 30. Januar 2020

 

Bäckstage Redaktion / Do, 30. Jan 2020