Peter Doherty: ein Sünder mit Zukunft

Peter Doherty: Stranger in my own Skin
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Filmplakat, Quelle: ZFF

Wer «Peter Doherty» hört, denkt häufig auch an dessen jahrelange Heroinsucht. Dabei hat Peter Doherty als Poet und Musiker viel mehr zu bieten. Doch was treibt den Künstler an? Fragen wie diese, werden in der neuen Doku «Peter Doherty: Stranger in my own Skin» thematisiert. Die Filmemacherin Katia deVidas fing während zehn Jahren immer mal wieder Momente mit dem Musiker ein. Es sind einzelne, kuriose Fragmente, die von ihr zu einer besonderen Dokumentation zusammengeschnitten wurden. Sie geben Einsicht in Peters Leben auf und abseits der Bühne, über seine innere Unruhe, über sein eigens kreiertes Hamsterrad. Ein Hamsterrad, dass durch die Drogensucht definiert ist, ein Hamsterrad, in welchem konsumiert wird, damit wiederum viel erschaffen wird, was wiederum verkauft wird, wodurch wieder neuer Stoff besorgt werden kann. Ein Teufelskreis, den zu durchbrechen das Hauptmotiv der Dokumentation geworden ist. 

 

Mit Archivbildern wird die Kindheit des Musikers nacherzählt. Doherty wuchs als Sohn eines Militäroffiziers in verschiedenen Städten auf und war, wie er in der Doku selbst sagt, stets das «new kid». Als Bewältigungsmechanismus liest Peter alles, was ihm zwischen die Finger kommt. Die Liebe zur Poesie und Literatur ist geboren. Und in diese Richtung will sich der junge Erwachsene auch entwickeln, beginnt ein Studium der Literatur. Doch dieses soll er nicht beenden, mit der neu gegründeten Band The Libertines feiert er mit Anfang Zwanzig Erfolge. Und damit kommen auch die Drogen. Wo und wann und weshalb genau, beantwortet die Dokumentation nicht. Auch wird die Beziehung zu Kate Moss nicht thematisiert. Wer hierzu Informationen und Doherty’s Sicht haben möchte, kann dies in dessen Autobiografie «A Likely Lad“»nachlesen. Entscheide wie diese, zahlen sich für die Doku aus und bieten Platz für anderes. 

 

Peter Doherty, wenn er im turbulenten Hamsterrad ist. (Filmstill / Quelle: ZFF.ch)

 

Zum Beispiel für die schonungslose Darstellung der destruktive Macht der Drogen und die vielen fehlgeleiteten Therapiemöglichkeiten. Filmemacherin deVidas bekennt klar Stellung, wenn sie die Entzugsmethoden seziert, die nur auf der körperlichen Ebenen ansetzen und alle psychologischen Leiden ausblenden. Dabei sind es grad letztere Leiden, so suggeriert deVidas, welche zum Suchtverhalten in the first place führen. Deshalb widmet sich deVidas der Erforschung der dunklen Seiten von Doherty. Selten wurde derart schonungslos eine Junkie-Wohnung abgefilmt, inklusive eines tot herumliegenden Raben. Vom sogenannten «Heroin-Chic» ist nichts zu sehen, bewusst hält Katia deVidas die Kamera vor alles Zerstörerische hin, auch dann, wenn Doherty sie mahnend bittet, ihn grad nicht zu filmen. Und das, obwohl es eigentlich die Idee des Musikers war, sich filmen zu lassen. Weshalb, dass weiss er nicht genau. Vielleicht - so denkt man sich nach einer Weile - ging es ihn gar nicht darum gefilmt zu werden, sondern einfach nur Gesellschaft - und nicht zuletzt Hilfe - zu erhalten. Der Titel ist ein Verweis an den Song «Stranger in my own skin» der Babyshambles, in dem es heisst:

 

I’m a stranger, stranger in my own skin

My voice is cracked and thin, I can’t sing at all

I’m the criminal insane and the sensationalized

Won’t you ever make me whole again?

When your back is up against the wall

Do you come out fighting?

Do you come out at all?

Did you see me fall?

Did you hear me call?

Call

 

Sein Bandkollege Carl Barât missbilligt die Drogen seit Anbeginn ihrer gemeinsamen Zeit. Carl hält an Peter fest und es kommt zum gefeierten Comeback der Libertines. Doch statt mit Freude entgegenzufiebern, kämpft Doherty mit einer Daseinskrise. Je grösser der Erfolg, desto grösser der Druck. Von aussen, aber auch von innen. Sein Vater habe ihm mal gesagt, er hätte kein Talent als Sänger oder Musiker, erzählt Doherty mal autofahrend in die Kamera. Und dass es seinem Vater zugleich egal sei, was sein Sohn mache, solange dieser einfach erfolgreich sei. Erfolg zu haben, also finanziell gesprochen, dass sei das Ziel. Umso erstaunter zeigt sich Peter als ihn der Vater nach jahrelanger Funkstille an einem Konzert überrascht und die Lieder mitsingt. Die schwierige Beziehung der beiden ist heute noch «work in Progress» wie Peter Doherty anlässlich der Filmpremiere am Zurich Film Festival in einem Interview mit dem SRF verlauten lässt. 

 

Auch wir trafen Peter Doherty und Filmemacherin Katia DeVidas in Zürich zum Interview, welches ihr hier nachlesen könnt. Ohne schon zu viel vorwegzunehmen, Doherty ist mittlerweile seit 4 Jahren clean von harten Drogen. Mit Katia führt er seit Jahren eine Beziehung, deren Entstehung wunderbar subtil im Film wiedergegeben wird. Mehr noch, die beiden sind mittlerweile verheiratet und Eltern einer gemeinsamen Tochter. Wie sagte Oscar Wilde so schön: «Jeder Heilige hat eine Vergangenheit und jeder Sünder hat eine Zukunft.»

 

«Peter Doherty: Stranger in My own skin» ist am Donnerstag, 16. November 2023, in selektionierten Kinos in der Schweiz zu sehen.

 

  • Peter Doherty: Stranger in My Own Skin (Frankreuch 2023)
  • Regie: Katia deVidas
  • Besetzung: Peter Doherty
  • Laufzeit: 90 Minuten
  • Kinostart: 16. November 2023

 

Tanja Lipak / Mo, 13. Nov 2023