Morbide Sightseeing-Tour

Moviekritik: Sightseers
Bildquelle: 
www.cineworx.ch

Noch nie hatte der Tod einen so hohen Unterhaltungswert. «Sightseers» trifft die richtige Mischung aus Splatter, Trash à la Tarantino und der perfektionierten Mittelklassverlangweilung. Die britischen Comedians Steve Oram und Alice Lowe brillieren in Ben Wheatleys («Kill List») neuestem Streich als Touristen, die mit ihrem Wohnwagen durch die englische Öde düsen und Menschen am laufenden Band um die Ecke bringen. 

 

Tierpsychologin Tina bricht mit ihrem Freund Chris auf, um das erste Mal die Welt zu erkunden. Ihre kranke tyrannisierende Mutter wird mit Handy im ewigen Elternhaus zurückgelassen. So beginnt die Flucht nach vorne als harmloser Ausflug aus dem Alltag. Doch das Paar, das von ihrem Umfeld gleichermaßen nicht ernst genommen wird, findet mit der Zeit Gefallen an einem mehr als morbiden Hobby, mit dem es sich für die über Jahre omnipräsente Zurückweisung rächen kann. Mord. Eine betrunkene Braut in Spe, ein harmloser Jogger am Rande der verlassenen Autobahn sowie zahlreiche weitere Urlaubsbekanntschaften werden mit Neid und Missgunst betrachtet. Mit jeder Leiche gehen die Hauptfiguren das Risiko ein, entdeckt zu werden und fühlen sich vom Adrenalin und den gemeinsamen Gewaltakten immer mehr zueinander hinzugezogen. 

 

Bild 1: Das Paar geniesst die englische Landschaft, inklusive Skelett. / Bild 2: Wer reist, braucht ab und zu eine Pause. Ob Tina hier in Stonehenge sitzt? (Mit Maus über Bild fahren)

 

So erstaunt es nicht, dass mit jedem Leben, das beendet wird, die sexuelle Anziehungskraft zwischen Tina und dem bärtigen Chris stärker wird. Bald machen sich aber die Schattenseiten des «Bonnie und Clyde»-Lebenstils bemerkbar. Streit und Eifersucht gipfeln in der prägnant gezeichneten Schlusszene. Und was ist nun die Aussage dieses Films? Es geht um Freiheit um Liebe und um den ewigen Wunsch, gesellschaftliche Zwänge abzustreifen. Rebellieren gegen ewige Ablehnung und Spott in der unangemessensten Weise, die überhaupt existiert. Ein Mord ohne schlechtes Gewissen.

 

Perfekte Settings unterstreichen morbiden Charme

 

Das Drehbuch zu «Sightseers» wurde von den beiden Hauptakteuren selbst verfasst. Schwarzer Humor zum Niederknien. Bis zum grandiosen Ende schaffen sie es immer wieder sich selbst an messerscharfem Zynismus zu überbieten. Gute Details und radikal gewählte Handlungsorte sprechen für sich. Sagen wir es mal so, England hat vielleicht keine Palmen oder Hochhäuser zu bieten, aber es gäbe wohl keine passendere Kulisse als die skurrilen Museen, Tropfsteinhöhlen oder verlassenen Landstrassen, um morbiden Charme zu versinnbildlichen.

 

Bild 1: Leichte Probleme beim Schreiben. Wer findet den Fehler? / Bild 2: Chris und Tina geniessen ihre Reise in vollen Zügen.

 

Mit einer der Thematik nicht untypischen Kaltblütigkeit, wurde der Film auch geschnitten. Kein Bild ist zu lang oder zu oft im Fokus. Mimik und Landschaften werden auf pragmatische und gezielte Weise präsentiert. «Sightseers» ist ohne Zweifel ein modernes Juwel für alle Liebhaber von englischem Humor.

 

  • Sightseers (GB 2012)
  • Regie: Ben Wheatley
  • Darsteller: Alice Lowe, Steve Oram, Eileen Davies, Jonathan Aris
  • Filmstart: 28.2.2013
  • Länge: 88 Minuten

 

 

Angel Schmocker / Mi, 06. Feb 2013