Eine Story quer durch alle Genres

Buchkritik: «Tod Sei Dank»
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Von Birgit Steinger- Sörensen


Versucht man «Tod sei Dank» in ein Genre einzuordnen, bekommt man Schwierigkeiten. Denn im neuen Roman von Helen Fitzgerald kommt beinahe alles vor, was in einer Geschichte Platz finden kann. Doch das tut seiner Qualität keinen Abbruch, im Gegenteil. Es ist eine Familiengeschichte, eine Tragödie gepaart mit Komik, aber auch ein Krimi, eine Geschichte, die sich oft am Abgrund der Gesellschaft bewegt. Sie handelt von Drogensucht und Kriminalität, von Verzweiflung und Hoffnung, aber auch von der Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit.


Nur für Drogen tut die Mutter alles


Der alleinerziehende Will lebt seit sechzehn Jahren nur für seine Zwillinge Georgie und Kay, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Kay ist eine Bilderbuchtochter, die ihrem Vater keinen Kummer bereitet. Georgie dagegen ist launisch, lehnt ihren Vater ab und tut so ziemlich alles, was man in ihrem Alter noch nicht tun sollte. Als beide Töchter gleichzeitig schwer erkranken und dringend eine neue Niere brauchen, kommt der liebende Vater an seine Grenzen. Er hat nur eine Niere zu vergeben, doch welche Tochter soll er damit retten?
In seiner Not sucht er die Mutter der Mädchen, die ihn für den drogensüchtigen und kriminellen Heath verlassen hat. Doch wird sie die Niere für eines ihrer Kinder spenden? Sie, die kein Interesse an ihren Mädchen hat und nur auf der Suche nach dem nächsten Schuss ist?
Der anständige Will, oder wie seine Tochter Georgie ihn beschreibt - «der spiessige Loser», ist so verzweifelt, dass er auf die aussergewöhnlichsten  Ideen kommt, die auch nicht gerade ungefährlich sind.


Illegaler Organhandel als letzter Ausweg?


«Im weiteren Verlauf seiner Suche sah er, dass jemand eine Niere aus China ausgeschlagen hatte. Den potenziellen Patienten hatte abgeschreckt, dass die Niere von einem zum Tode verurteilten Strafgefangenen stammen sollte. Will schnaubte verächtlich. Welchen Unterschied machte das schon? Er glaubte nicht, dass Nieren eine Moral hätten, die sich in ihrer neuen Heimat negativ bemerkbar machen könnte. Die Nieren seiner Mädchen hatten jedenfalls keine Charakterstärke gezeigt als sie schlappgemacht hatten.
Will hatte den Eindruck, dass die Philippinien die besten Möglichkeiten boten, zumal er mehr konkrete Informationen über den Markt dort gefunden hatte als über alle anderen Ländern. Er notierte die entsprechenden Preise und Adressen in seinem Block. Später würde er dem Krankenhaus eine E-Mail schicken.»


Die Dinge beim Namen genannt


Der Roman ist zwar speziell und hebt sich von anderem ab, was der Literaturfreund sonst liest, doch das macht ihn gerade so interessant. Aussergewöhnlich ist auch der Perspektivenwechsel, jeder der Protagonisten wird begleitet und seine Gedanken kommentiert, so dass sich alles, wie durch ein Kaleidoskop gesehen, zusammenfügt. Fitzgerald benutzt oft Gassensprache und es spielt sich vieles im Drogen- und Alkoholmilieu ab, auch mit sexuellen Praktiken geht sie nicht zimperlich um. Es wird nichts beschönigt und manchmal werden dem Leser die Beschreibungen fast zuviel. Doch die Story zieht einen weiter, sie bleibt bis zum Schluss im gleichbleibenden Spannungslevel. Nichts ist so, wie es scheint und zum Schluss kommt alles ganz anders, als man es erwartet.

 

  • Verlag Galiani Berlin
  • 1. Auflage 2012, Hardcover
  • 264 Seiten
Roman Rey / Sa, 03. Mär 2012