Drei Tage Rock, Bier und Sonnenschein

Greenfield ohne Regen. Geht das? Ja. Und wie!
Bildquelle: 
www.greenfieldfestival.ch

Text von Nicolas Saameli

Tag 1: Freitag

Nach einer scheinbar ewigen Zugfahrt stehe ich umringt von Parytouristen, Emogirls, Black Metallern und Teenagermädchen in Hotpants leicht verspätet vor den Toren des Greenfield Festivals in Interlaken. Ich habe knapp 20 Franken Bargeld, eine halbe Flasche Whisky und ein eilig ausgedrucktes Presseticket bei mir und keine Ahnung, was mich erwartet. Nach einem kurzen Gerangel am Eingang schlage ich mein Lager auf einem der letzten Plätze auf. Nach dem wie üblich chaotischen Zeltaufstellen steht schon das Highlight des ersten Tages an. Die US Nu-Metaller Limp Bizkit geben sich bereits zum zweiten Mal am Greenfield die Ehre.

 

Die Gruppe um Fred Durst braucht zwar ein wenig Anlaufzeit, spätestens nach «Hot Dog» aber headbangt das ganze Flugplatzgelände mit. Limp Bizkit zeigen sich in lockerer Stimmung, sprechen mit dem Publikum und holen Fans zu sich auf die Bühne. Bei «Behind Blue Eyes» brennen auf dem ganzen Platz Feuerzeuge und «Fat Lip» bringt eine Präsenz zustande, welche während dem restlichen Konzert manchmal ein wenig fehlt. Das liegt vielleicht an Fred Dursts ein wenig zu leise abgemischter Stimme. Nach einer 1.5 Stündigen Show verabschieden sich Limp Bizkit mit der Frage «Who’s going to sleep now?» und die Afterparty kann beginnen. 

 

Tag 2: Samstag

Als ich am Morgen aufwache, ist das Zeltplatzleben schon wieder in vollem Gange. Aus diversen kleinen Soundsystems schallt Hardcore Punk, Nirvana und alte Kasperli-Folgen. Die letzten Betrunkenen schlafen auf der Strasse. Eine Gruppe ziemlich junger Gitarrenspieler hat mit einem «Beer for Boobs» Schild überraschend viel Erfolg und mein Zeltnachbar hat es schon geschafft, in einem Spiegeleierwettessen zwölf Eier zu verdrücken. Ziemlich erschöpft torkle ich richtung Interlaken in den nächstgelegenen Supermarkt und kaufe mir ein wenig Verpflegung, Wasser und Zigaretten.

 

Am Nachmittag steht eines meiner persönlichen Highlights an: Die L.A. Punkrocker The Bronx spielen auf der kleinen Bühne. The Bronx überzeugen mit einer energiegeladenen Liveshow und spielen trotz Ersatzgitarrist ein sehr sauberes und energiegeladenes Set. Sänger Matt Caughthran brüllt sich die Seele aus dem Leib und steht beinahe die Hälfte des Konzerts selbst im Moshpit. (Interview mit The Bronx folgt).

 

Später rocken die Briten Skindread mit ihrem Reagge-Metal-Elektropunk die grosse Bühne und Sänger Benji Webbe zeigt, wie man eigentlich mit einem Publikum spielen sollte. Den Höhepunkt des Samstagabends bilden für viele die Punkrock-Urgesteine Pennywise. Sie spielen eine sehr solide Liveshow und werden vom Publikum dafür mit viel Beifall belohnt. Die Headliner The Offspring kommen nur sehr zögernd in Gange und entschuldigen sich beim Publikum mit den Worten «Ok, let´s try not to fuck up the next one». Natürlich kommen ihre Klassiker wie «Pretty Fly (For A White Guy)» trotzdem gut an und The Offspring werden ihrem Ruf als chaotische Liveband sehr gut gerecht. Nach The Offspring steht wieder das Partyprogramm an und die Barzelte sind gerammelt voll.

Tag 3: Sonntag

Kopfschmerzen. Ich habe ein bisschen zu lange geschlafen und die Sonne hat mein Zelt auf gefühlte 60 Grad aufgeheizt. Völlig dehydriert kaufe ich mir eine viel zu teure Wasserflasche und spaziere ein bischen über den Zeltplatz. Dieser zeigt sich mittlerweilen nicht mehr wirklich von seiner schönsten Seite. Bierdosen, kaputte Campingstühle, betrunkene Menschen, weggeworfene Chipspackungen und gebrauchte Kondome vermengen sich zu zu einer riesigen, allgegenwärtigen Masse. Die ersten Abgebrannten fangen an, sich ihr Mittagessen mit Becherpfand zu verdienen und die Toi Tois lassen jedes indische Bahnhofsklo wie eine Oase der Frische erscheinen.

 

Am Nachmittag spielen Zebrahead auf der grossen Bühne und bereiten die Crowd mit einer riesigen „Wall of Death“ schon mal langsam auf den Abend vor. Dieser hat es nämlich in sich. Als zweitletzter Act zeigen die Szenenlieblinge Rise Against eine Show, welche der eines Headliners würdig gewesen wäre und erhalten dafür eine sehr laute Resonanz. «Swing Live Away» bringt eine ungewohnt romantische Stimmung auf das Flugplatzgelände und bringt noch die härtesten Rocker zu Gänsehaut. Frontmann Tim McIlrath spricht mit dem Publikum, ehrt andere Bands und lässt den einen oder anderen politischen Slogan fallen. Gegen Ende ihres Konzerts gibt es vor der grossen Bühne niemanden mehr, der noch stillstehen kann. Das absolute Highlight des Festivals steht aber noch bevor.

 

Die Berliner Funpunk-Legenden Die Ärzte treten hinter einem eigens für sie aufgehängten riesigen roten Vorhang hervor und beginnen ihre Show mit «Hipp Hipp Hura». Bela, Farin und Rod versprechen gleich zu Beginn, heute eine besonders infantile Show zu spielen und geben sich alle Mühe, dieses Versprechen auch zu halten. Zwischen ihren Songs nehmen sie Schweizerdeutsch aufs Korn und beschuldigen sich gegenseitig des regelmässigen Onlinepornokonsums. Die Berliner spielen ein wie gewohnt sauberes Konzert mit vielen spontanen Humoreinlagen und bringen tausende Fans zum mitsingen.

 

Leider hat es die Organisation des Greenfields nicht geschafft, eine Zugverbindung bis Ende des Ärztekonzerts zu gewährleisten und so muss ich nach ungefähr der Hälfte der Show (schönerweise zur Zeile «Bitte geh noch nicht») schon gehen. Nach drei Tagen Festivalleben komme ich erschöpft und glücklich zuhause an und falle (nachdem ich mir endlich mal richtig die Zähne geputzt habe) halbtot ins Bett.

Roman Rey / Di, 19. Jun 2012